Auf der Straße stauen sich die schweren Autos mit den dunkel getönten Scheiben, die Fahrer drücken ungeduldig auf die Hupe. Es ist Tag zwei der Mailänder Modewoche. Vor wenigen Minuten ist die Fendi-Show zu Ende gegangen, schon hasten die Redakteure, Einkäufer, Fotografen zur nächsten Präsentation.

Arthur Arbesser (Markenzeichen zerwühlter Haarschopf und Hornbrille) lehnt an einer Hauswand der Via Savona, einige Meter weiter ist sein neuer Arbeitgeber Fay zu Hause. Einfach nur in Ruhe herumzustehen geht aber nicht. "Ciao Arthur", Bussi-Bussi, kurze Smalltalks, fast alle kennen den 35-jährigen Österreicher, den es nach seinem Studium in London für einen Job bei Giorgio Armani nach Mailand zog.

Der in Wien geborene Designer Arthur Arbesser lebt in Mailand.
Foto: Fay

Der gebürtige Wiener hat seither eine erstaunliche Karriere hingelegt. Auch weil der Abgänger des Londoner Central Saint Martins College in Mailand alles ein bisschen anders angegangen ist als sonst in der italienischen Modemetropole üblich. Arbesser warf nach einigen Jahren den sicheren Job bei Armani hin und machte sich 2012 mit seinem eigenen Modelabel "Arthur Arbesser" selbstständig. Schnell war der Designer der Liebling der Modepresse. Denn langweilig wurde es mit ihm nicht.

Während der Mailänder Fashion-Week lockte er die Modeleute Saison für Saison mit Präsentationen an versteckte Orte in der Stadt. Die jubelten: endlich Abwechslung zwischen den alteingesessenen Modedinosauriern und den immergleichen Show-Locations!

Starke Muster und Farben ziehen sich durch die Kollektionen von Arthur Arbesser. Hier ist ein Entwurf aus seiner Herbstkollektion zu sehen.
Foto: Driu und Tiago, Model Nicole Atieno, Stylist Hannes Hetta

Und sie kamen zu seinen Präsentationen, trotz dichter Terminkalender. Eine seiner ersten Kollektionen zeigte Arthur Arbesser in der extravaganten Wohnung eines Architekten, ein andermal spielte eine befreundete Pianistin am Klavier Schubert, es folgten erste Modenschauen, 2015 die Nominierung für den renommierten Nachwuchspreis des Luxuskonzerns LVMH und ein kurzes Engagement beim italienischen Unternehmen Iceberg. Die Kritiken? Wohlwollend, die Londoner Modekritikerin Suzy Menkes kam zu seinen Präsentationen, als sie längst am Stock ging.

Händchen fürs Diplomatische

Wenn man in Wien mit Arthur Arbesser (bei einem schwarzen Tee mit Milch) zusammensitzt, versteht man schnell, dass diese Zuneigung nicht von ungefähr kommt. Er sei ein "Menschenfreund", sagt Arbesser über sich selbst, und dass ihm "das Diplomatische immer leichtgefallen" sei. Dem Österreicher ist das Kontaktemachen keine Anstrengung, er wirkt so kommunikativ wie unkompliziert: Der 35-Jährige beherrscht den wöchentlichen Mittagslunch-Talk mit Diego Della Valle, dem mächtigen Präsidenten des Lederwarenimperiums Tod's (und seit Arbessers Antritt bei Fay sein Chef), genauso wie den großen Auftritt vor Publikum.

Für seine Herbstkollektion verwendete Arthur Arbesser Backhausen-Stoffe, fotografiert hat die Serie Elfie Semotan.
Foto: Elfie Semotan

Das war Anfang Oktober im Wiener Leopold-Museum zu erleben. Als anlässlich der Eröffnung seiner Ausstellung über dem Saal eine Wolke bildungsbürgerlicher Beflissenheit hing, stellte Arbesser neben dem Chef von Wien-Tourismus routiniert das gemeinsame Projekt vor. Anlass der Schau: Der Designer hat eine Kollektion, gefertigt aus Stoffen der Textilmanufaktur Backhausen mit Mustern von Koloman Moser und Josef Hoffmann, entworfen und von Elfie Semotan fotografieren lassen.

Internationale Fangemeinde

Auf den großen Bildern an den Wänden der Eingangshalle des Leopold-Museums ist nun bis Ende Oktober Helmut Langs Muse Cordula Reyer neben Model Helena Severin in den Designs von Arthur Arbesser zu sehen. Die Zusammenarbeit mit Backhausen ist ganz Arbessers Ding. Der Abgänger des Schottengymnasiums, Vater Jurist, Mutter Pharmazeutin, ist in Wiens 13. Bezirk aufgewachsen, er kennt den Geschmack des großbürgerlichen Milieus aus dem Effeff, seine Mode kommt trotz aller romantischen Bekenntnisse modern daher. Und so hat Arthur Arbessers Label mittlerweile "eine kleine, aber loyale internationale Fangemeinde an Frauen gefunden": "Auch meine Mutter trägt mittlerweile meine Mode."

Wirklich glamourös sei sein Alltag allerdings nicht, erklärt er, das brauche man nicht glauben. Der vergangene Sommer sei besonders heftig gewesen. Manchmal, der Designer fährt sich durchs Haar, wisse er vor lauter Deadlines nicht mehr, wo ihm der Kopf stehe. Im Moment verbringt der Österreicher jedenfalls weniger Zeit in Mailand als im Zug. Schuld daran ist sein neuer Arbeitgeber. Das Unternehmen Fay sitzt in den Marken, das bedeute "vier Stunden hin, vier Stunden zurück mit dem Zug", das sei "die beste Zeit zum Arbeiten". Auf dem Hinweg stehe meist der neue Arbeitgeber auf dem Programm, auf dem Rückweg das eigene Label.

Seit vergangenem Jahr verantwortet Arthur Arbesser das Design von Fay.
Foto: Fay
Markenzeichen des Unternehmens: die Jacke mit den vier Verschlüssen.
Foto: Fay

Gleich zu Beginn seines Engagements hatte sich Arbesser ins Archiv gestürzt, um herauszufinden: "Was sind die Bestseller, was darf man nicht anrühren?" Das Markenzeichen von Fay: eine Jacke mit vier Verschlüssen. Das Label, das zur Unternehmensgruppe Tod's gehört, steht seit 30 Jahren für jene robusten Kurzmäntel, die von Männern wie Frauen getragen werden. Arbesser verpasst diesen Mänteln seit zwei Saisonen einen Hauch Coolness – ohne das Klassische aus den Augen zu verlieren.

Er habe der Marke, da verfällt er ins Englische, "Desirability" verleihen wollen. Dass das ankommt, spürt er in seinem Umfeld. "Der junge Anwalt, der Grafiker oder meine Schwester, die in Bozen mit einem Anwalt verheiratet ist, die wollen alle so einen Mantel haben." Arbesser wird dafür sorgen, dass sie auch einen zweiten wollen. (Anne Feldkamp, RONDO, 15.10.2018)

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