Viele Grünflächen statt parkender Autos prägen das fiktive Stadtbild, das Wideshot entworfen hat. Aus der virtuellen Vision soll schon in 20 Jahren Realität werden.

Foto: wideshot

In der Börsegasse parken jetzt unzählige Autos, in der virtuellen Realität ist Platz für Grünflächen. Gebäude könnten besser angebunden sein.

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Auch beim Burgtheater ist in der fiktiven Welt mehr Platz für Erholung.

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Am Hof könnte ein multifunktionaler Platz mit Tiefgarage darunter entstehen.

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Ein junges Paar liegt in der Wiese und sonnt sich, daneben, auf einer Parkbank unter einem Baum, sitzt eine Frau und liest ein Buch. In einem Schanigarten unterhält sich eine Touristengruppe, im Hintergrund grasen Pferde und Ziegen in einem eingezäunten Bereich – all das direkt neben der Wiener Börse.

"Was?", werden jene Wiener nun ungläubig fragen, die die Börsegasse kennen. Dort gibt es keine Wiese, keine Bäume, keine Schanigärten, Pferde und Ziegen schon gar nicht. Allerdings – denn auf dieser Seite der Börse gibt es eine Tiefgarageneinfahrt – eine Tankstelle und vor allem viele parkende Autos; in insgesamt fünf Reihen stehen sie nebeneinander.

Blick in die Zukunft

Das eingangs beschriebene Szenario ist ein Blick in die Zukunft, wie das Architektur- und Designbüro Wideshot sie sich vorstellt. In ihrem Beitrag für die Vienna Design Week gehen Oliver Bertram, Managing Partner bei Wideshot, und sein Team davon aus, dass die Stadt der Zukunft durch selbstfahrende Autos und die Sharing Economy weit weniger Platz für parkende Fahrzeuge brauchen wird. Stattdessen können grüne Gemeinschaftsflächen entstehen.

Wie das aussehen kann, hat das Team in der virtuellen Welt modelliert, an insgesamt drei Orten im ersten Bezirk (wo es im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Autos gibt) konnten Interessierte während der Vienna Design Week in eine parkplatzlose Stadt der Zukunft reisen.

Bertrams Vision: "Autos sind dann autonom unterwegs. Haben sie einen Fahrgast ans Ziel gebracht, fahren sie weiter und holen den nächsten ab – sie sind also ständig in Bewegung, ein Parkplatz wird obsolet."

Neue Anforderungen

In der Zukunft ändern sich dadurch auch die Anforderungen an die Architektur. Straßen und Parkplätze werden ganz anders aussehen, so Bertram. Er nennt ein Beispiel: In Zukunft werden Autos von selbst einparken, den Platz zum Aussteigen aus dem Fahrzeug braucht es dann nicht mehr – der Parkplatz kann also kleiner werden.

"Das Straßenbild wird sich grundsätzlich ändern", sagt Bertram und berichtet von Studien aus Nordamerika, wonach das Zusammenleben auf der Straße zwischen Menschen und verschiedenen Verkehrsmitteln dann ganz anders funktionieren wird. Das Motto sei "Human first" – also Vorrang für Menschen in allen Belangen. Eine konkrete Folge dieser Entwicklung: Große Verkehrswege, auf denen Fahrzeuge möglichst schnell durchfahren können, werde es in diesen Zukunftsszenarien nicht mehr geben. Kreuzungen werden schmaler, Fußwege breiter.

Schmalere Straßen, kleinere Parkplätze und weniger Autos, zumindest in der Stadt – davon geht das Wideshot-Team in seinem Zukunftsszenario aus. Ob es insgesamt weniger Autos geben wird, dazu gibt es verschiedene Forschungsmeinungen und Prognosen, so Bertram. Wahrscheinlich sei, dass durch das gemeinschaftliche Nutzen von Autos insgesamt weniger Fahrzeuge unterwegs sein werden.

Ein eigenes Auto

Manche Wissenschafter gehen jedoch auch davon aus, dass sich an der Anzahl der Fahrzeuge pro Person nicht viel ändern wird, weil viele gern ein eigenes Auto haben wollen. Im innerstädtischen Bereich, so Bertram, werde die Sharing Economy aber große Auswirkungen haben.

Das ist auch heute schon zu sehen: Durch Uber etwa werden private Fahrzeuge mit anderen geteilt, damit wird Geld erwirtschaftet. "In Zukunft wird Uber ein Logistikdienstleister sein, der die autonomen Fahrzeuge verwaltet", so Bertram. Er hat auch eine Prognose für den zeitlichen Rahmen: Schon in zwanzig Jahren seien die Auswirkungen durch das autonome Fahren in der Stadt sehr deutlich spürbar. Erste merkliche Veränderungen könnte es auch schon in zehn Jahren geben.

Auto als Statussymbol

Aber leben in Zukunft wirklich so viele Menschen ohne eigenes Auto? Ein Grund, der für viele gegen die Abschaffung des Autos spricht: Sie sehen es als Statussymbol, identifizieren sich dadurch. Auch in diesem Punkt gibt es in der Forschung unterschiedliche Theorien. Der Trend gehe bei der jüngeren Generation schon heute weg vom Eigentum hin zur Sharing Economy. "In den USA sind die Führerscheinquoten der 16-Jährigen um 30 Prozent gesunken. Auch bei uns ist die Zahl der jungen Menschen, die einen Führerschein oder ein eigenes Auto haben, rückläufig", erzählt Bertram.

Also insgesamt weniger motorisierter Verkehr? Bertram gibt zu, dass durch autonome Fahrzeuge und Carsharing auch viele Menschen, die ansonsten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs wären, auf Autos umsteigen könnten. In der Konsequenz würde das zu noch mehr Verkehr führen. Es gäbe also zwar weniger Autos auf Parkplätzen, dafür noch mehr auf den Straßen.

Das Wesen von öffentlichen Verkehrsmitteln sei, dass ein Sammeltransport an bestimmten Orten geplant anhält. Dadurch, so Bertram, ergebe sich das Problem der "last mile", also der letzten Meter, die Öffi-Nutzer zwangsläufig zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen müssen. Für viele sei das eine Hemmschwelle und auch schon heute ein Grund für ein eigenes Auto. Die autonomen Fahrzeuge der Zukunft decken diese letzte Meile zu hundert Prozent ab. Bertram ist sich jedenfalls sicher: "Die Öffis werden in der Zukunft eine starke Konkurrenz bekommen." (Bernadette Redl, 21.10.2018)