Georg Kaser von der Universität Innsbruck ist Leitautor an den UN-Klimaberichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).

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Jeder einzelne Tropfen, der sich auf der Erde befindet, hat eine Milliarden Jahre alte Geschichte. Theoretisch könnte das Glas Wasser, das wir trinken, schon ein Urwesen zu sich genommen haben. Wieder und wieder transformiert, zieht das Wasser ewig seine Kreise. Der Wasserkreislauf bestimmt über sämtliches Leben auf der Erde – und gefährdet es, sobald es zu viel davon gibt oder zu wenig: Dürre und Überschwemmungen führen regelmäßig zu gravierenden Katastrophen. Wasser in all seinen Ausformungen bildet den "Blutkreislauf der Biosphäre", wie es der österreichische Limnologe Wilhelm Ripl formulierte. Wir haben den renommierten Klimaforscher Georg Kaser gebeten, uns zu erklären, wie es um den Wasserkreislauf steht.

Die Erde ist zu mehr als 70 Prozent mit Wasser bedeckt. Nur ein winziger Bruchteil davon kann als Süßwasser genutzt werden.
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Was macht Wasser so einzigartig?

"Wasser ist der aufregendste Stoff, den wir besitzen", sagt Georg Kaser, Gletscher- und Klimaforscher an der Universität Innsbruck. "Es hat ganz spezielle Eigenschaften und Anomalien. Zum Beispiel ist es nicht in seiner festen, kristallinen Form am schwersten – schließlich schwimmt Eis auf Wasser -, und es kommt unter natürlichen Bedingungen in allen drei Aggregatzuständen vor: flüssig, gasförmig und fest."

Wie viel Wasser gibt es auf der Erde?

1,39 Milliarden Kubikkilometer Wasser beherbergt unser Planet, dessen Oberfläche zu mehr als 70 Prozent mit Wasser bedeckt ist. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Salzwasser, das sich hauptsächlich in den seit mehr als vier Milliarden Jahren bestehenden Ozeanen befindet. Von den etwa 2,5 Prozent Süßwasser sind fast drei Viertel in Eis und Schnee, vor allem an den Polen, gebunden.

Der Rest ist nahezu zur Gänze als Grundwasser in tiefen Gesteinsschichten eingeschlossen. Nur 0,3 Prozent des Süßwasservorkommens befinden sich in Flüssen, Seen, Feuchtgebieten, Böden und in der Atmosphäre, wie Dieter Gerten vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in seinem aktuellen Buch Wasser (C. H. Beck 2018) vorrechnet.

Wie funktioniert der Wasserkreislauf?

"Der Wasserkreislauf aus Niederschlag und Verdunstung wird mit Energie angetrieben, und diese kommt im Wesentlichen von der Sonne", sagt Kaser, der bei der FWF-Veranstaltungsreihe "Am Puls" zum Thema "Blaues Gold – Wasser als Ressource mit Konfliktpotenzial" einen Vortrag hielt. Vor allem in warmen Meeren verdunstet Wasser und fällt in höheren Breiten als Niederschlag auf die Erde, der mehr oder weniger verzögert wieder in die Ozeane abfließt.

Vereinfachtes Schema des Wasserkreislaufes.
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Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Wasserkreislauf aus?

Durch die Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre wird die für diesen globalen Kreislauf verfügbare Energie erhöht. "Wir verändern das Isolationsgefüge der Atmosphäre. Es ist, als würde man mehr Daunen in einen Schlafsack packen. Dadurch ist mehr Energie im System – derzeit liegt der Aufheizeffekt schon bei fast drei Watt pro Quadratmeter", sagt Kaser, der als Leitautor an mehreren UN-Klimaberichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mitgeschrieben hat und auch an der Erstellung des kommenden, für 2022 erwarteten, sechsten Sachstandsberichtes beteiligt ist. Die Folge: Der Wasserkreislauf intensiviert sich, das Blut des Planeten zirkuliert schneller, sein Puls beschleunigt sich. Die atmosphärischen und ozeanischen Zirkulationsmuster verändern sich in Form und Ausprägung.

Was bewirkt die globale Erwärmung?

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf den globalen Wasserkreislauf sind bereits messbar. "Wärme führt zu Ausdehnung von Wasser. Allein durch die thermische Expansion steigt der Meeresspiegel derzeit um rund einen Millimeter pro Jahr", sagt Kaser. Durch die Eisschmelze kommen noch einmal ein bis zwei Millimeter pro Jahr dazu.

Ein Hinweis für die Beschleunigung des Wasserkreislaufes ist auch die Veränderung in der Verteilung des Salzgehaltes der Meere. Meere in trocken-warmen Regionen werden salziger, jene in den feucht-kühlen Niederschlagszonen "süßer".

Warum wird es in Zukunft mehr Hurrikans geben?

Die Zunahme des Energieinhaltes im Klimasystem wirkt sich auch auf die atmosphärischen Vorgänge aus. "Es gibt Indizien, dass Hurrikans mehr Wasser aufnehmen, weil sie sich über den warmen Oberflächen mehr aufheizen, was ihre Intensität erhöht", sagt Kaser.

Erst vor wenigen Tagen erbrachte eine im Fachblatt Science veröffentlichte Studie den Nachweis, dass die steigende Oberflächentemperatur des Atlantiks 2017 dazu geführt hat, dass sich in dieser Region viele Stürme zu schweren Hurrikans entwickelt haben und nicht, wie bisher angenommen, das La-Niña-Phänomen der Hauptfaktor dafür ist. Die US-Forscher vermuten, dass sich mit der weiteren Zunahme der Treibhausgase die Zahl extremer Hurrikans in Zukunft erhöhen wird.

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Wirbelstürme wie Tornados und Hurrikans verursachen regelmäßig große Schäden. Insbesondere Hurricans werden in Zukunft an Intensität gewinnen. Hauptfaktor sind die steigenden Oberflächentemperaturen der Ozeane.
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Wie verändern sich die Niederschläge?

Fest steht, dass sich durch die veränderten Zyklen im Wasserkreislauf die Niederschlagsmuster verschieben. "Man geht davon aus, dass pro Grad Celsius Erwärmung feuchte Gebiete bis zu 15 Prozent mehr Niederschlag erhalten werden, trockene um bis zu 15 Prozent weniger", sagt Kaser. "In Mitteleuropa sind wir am Schnittpunkt der Auswirkungen, mit weniger Niederschlag insbesondere im Süden. In den Alpen ist die Erwärmung doppelt so hoch wie im globalen Mittel, vor allem weil dort die Hochdrucklagen zugenommen haben. Lokal hat man aber auch leichte Abkühlungen beobachtet, was auf dieselben Veränderungen zurückzuführen ist", beschreibt der Klimaforscher die komplexen Vorgänge.

Was passiert, wenn die Gletscher schmelzen?

Zur Beschleunigung von Verdunstung und Niederschlag im globalen Maßstab kommt die dramatische Gletscherschmelze, die zwar kurzfristig die verfügbaren Wassermengen erhöht, letztlich aber vielen Gebieten, insbesondere in den südamerikanischen Anden und in Innerasien, die Grundlage der Wasserversorgung entzieht. "Bei vielen kleineren Gletschern ist das sogenannte Peak Water bereits erreicht", sagt Kaser. So bezeichnet man (analog zu Peak Oil) jenen Zeitpunkt, zu dem ein Gletscher durch die Erwärmung das Maximum an Schmelzwasser spendet, bevor er versiegt.

Auch in den Ostalpen sind einige kleine Gletscher bereits verschwunden, andere stehen auf der Kippe: Dieser Tage wurde mit einem kleinen Symposium das "Versiegen des Weißbrunnferners" im Ortler-Cevedale-Gebiet betrauert, dessen Messreihe wegen des starken Schrumpfens des Gletschers aufgegeben werden musste, wie Kaser schildert. Ein weißer Brunnen weniger.

Wo wird es den größten Wasserstress geben?

In Ländern, die ohnehin nur über wenig der recht ungleich über den Planeten verteilten Süßwasservorräte verfügen, wird sich die Situation infolge von beschleunigtem Wasserkreislauf, Bevölkerungswachstum, Wasserverschmutzung und immer weiter ansteigendem Wasserverbrauch künftig noch verschärfen.

Bei ungebremstem Klimawandel werden 33 von 167 Ländern unter Wasserstress leiden, also unter Bedingungen, in denen ein extremes Missverhältnis zwischen Wasserverbrauch und verfügbaren Wasserressourcen herrscht. Das prognostiziert eine Studie des World Resources Institute (siehe Grafik). Je größer das Missverhältnis, desto anfälliger ist ein Land für plötzliche Schwankungen der Wasserverfügbarkeit, etwa durch eine schwere Dürre.

14 der 33 Länder mit extremem Wasserstress befinden sich im Nahen und Mittleren Osten, eine der wasserärmsten Regionen weltweit und nicht zufällig auch eine der konfliktreichsten. Zu den Ländern, deren Wasserstress bis 2040 im Vergleich zu heute besonders ansteigen wird, gehören auch Chile, Estland, Botswana und Namibia. Zwar werden globale Supermächte wie die USA, China und Indien keinen derartigen Wasserstress erleben, in einzelnen Gebieten wie im Südwesten der USA oder in einigen chinesischen Provinzen wird sich die Lage bis 2040 aber zuspitzen.

Droht in Österreich Wasserknappheit?

In Österreich ist die Wasserversorgung nicht unmittelbar gefährdet. Dennoch könne es auch hierzulande lokal und vorübergehend zu Wasserknappheit kommen, wenn beispielsweise einmal der Winterschnee ausfällt und die Gletscher und der Permafrost weggetaut sind, sagt Georg Kaser. Er ist als Vertreter der Universität Innsbruck in dem vom Wissenschaftsministerium eingerichteten Forschungsnetzwerk Climate Change Center Austria (CCCA) engagiert, das in Anlehnung an das IPCC das Austrian Panel on Climate Change (APCC) betreibt und entsprechende Berichte veröffentlicht.

Damit der Wasserkreislauf nicht noch mehr ins Strudeln gerät, können nur ein Herunterschrauben der CO2-Emissionen, eine Anpassung des Verbrauchs an die Ressourcen und ein Rückgang der Wasserverschmutzung helfen, sind sich Experten einig. Denn auch wenn das Wasser weiter seine Kreise ziehen wird, ist es eine Ressource, mit der wir äußerst sorgsam umgehen müssen. (Karin Krichmayr, 14.10.2018)