881.569 Personen unterzeichnete das Don't-smoke-Volksbegehren.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Die Neuauflage des Frauenvolksbegehrens fand weniger Zuspruch als das erste Frauenvolksbegehren.

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Wien – Das Nichtraucherschutz-Volksbegehren Don't smoke ist von 881.569 Österreichern unterzeichnet worden – und ist somit das sechsterfolgreichste Volksbegehren bisher. "Die Politik wird nun umdenken müssen", sagte Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda bei einer Pressekonferenz in Wien.

Das Ziel von 900.000 Unterstützern sei "faktisch erreicht worden". Falls sich die Politik aber nun auf die fehlenden 20.000 Stimmen berufen würde, so wäre dies "Haarspalterei", sagte der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. 900.000 Unterschriften sind von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) als Zahl für künftige verbindliche Volksabstimmungen vorgegeben worden.

Rauchverbote "state of the art"

Ärztekammer und Krebshilfe forderten die Bundesregierung auf, das gekippte Nichtraucherschutzgesetz rasch einzuführen: "Rauchverbote in der Gastronomie sind im modernen Europa von heute state of the art. Die Regierung muss endlich auf die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger achten und ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einführen." Für den Wiener Sozialmediziner Michael Kunze wäre ein Ignorieren des "Don't smoke"-Volksbegehren seitens der Politik "ein Armutszeugnis". Für die Tabakpolitik würde Österreich inzwischen "international ausgelacht" werden, kritisierte Kunze. Er urgierte, die Forderungen des Volksbegehrens umzusetzen.

Regierung sagt: Keine Abstimmung

Die Regierung bleibt aber hart: Es wird keine Volksabstimmung über das Rauchverbot in der Gastronomie geben, machten ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer und FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz Montag bei einem "Runden Tisch" des ORF klar. Sie verwiesen jeweils auf ihre Koalitions- bzw. Pakttreue und auf das Regierungsprogramm, das die automatische Abstimmung nach erfolgreichen Volksbegehren erst ab 2022 vorsehe. Daran hätten auch 900.000 oder eine Million Unterschriften nichts geändert, stellte Rosenkranz klar.

"Intensiv auseinandersetzen"

Die Anmerkung, dass es für die Nichtraucher-Initiative trotz des großen Zuspruchs jetzt "ab in die Schublade" heißt, wollten die Koalitionsklubchefs dennoch nicht gelten lassen. Man werde sich mit diesem Volksbegehren ebenso intensiv im Nationalrat auseinandersetzen wie mit dem Frauenvolksbegehren und jenem gegen die ORF-Gebühren – die auch jeweils deutlich über die 100.000er-Grenze kamen, versicherten Nehammer und Rosenkranz. Und man werde wie im Regierungsprogramm vorgesehen die direkte Demokratie in den nächsten Jahren ausbauen – wenn gewünscht, auch schon früher als geplant, sagt Strache.

Kritik aus den Reihen der ÖVP

Die Härte der Regierung sorgt nicht nur bei politischen Gegnern für Unmut. Auch in der ÖVP regt sich Widerstand. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) – ein langjähriger Verfechter des Rauchverbots in der Gastronomie – hat am Dienstag seinen Standpunkt bekräftigt: "Ich bleibe bei meiner Meinung: Dieses Rauchverbot wird kommen – früher oder später. Ich hoffe auf ein Umdenken der FPÖ."

"Ich war der erste innerhalb der ÖVP, der vor vielen Jahren bereits ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie gefordert hat, damals stieß ich auf breite Ablehnung. Ob es eine Volksabstimmung geben soll ist Sache der Bundesregierung. Ratschläge erteile ich denen intern", sagte der steirische Volkspartei-Chef.

Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl, der für das Nichtraucher-Volksbegehren selbst die Werbetrommel gerührt hatte, sprach sich im "Kurier" für eine Referendum aus. "Jetzt sollte es auf jeden Fall eine Volksabstimmung geben. Wenn ein Thema politisch nicht zum Heben ist, muss man den Publikumsjoker nehmen", so Nagl. Auch der Salzburger ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner meinte dort, dass "bei einer so hohen Beteiligung ein verbindlicher Volksentscheid möglich gemacht werden" sollte.

"Ich würde dafür plädieren, dieses Volksbegehren zum Anlass zu nehmen, schon früher einen verbindlichen Volksentscheid einzuleiten, nicht erst 2021", sagte auch der ÖVP-Bürgermeister und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl im "Kurier". Riedl kommt aus der niederösterreichischen ÖVP, die der Rücknahme des Rauchverbots von Anfang an kritisch gegenüber stand. "Der Zulauf zeigt, dass unser Koalitionspartner auf Bundesebene die Situation neu bewerten sollte", so der niederösterreichische ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Es sei klar, "dass man den Willen der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen hat".

"Von Dankbarkeit hat niemand was"

Von der Opposition hagelt es jedenfalls herbe Kritik: "Von ihrer Dankbarkeit und ihren Gratulationen haben weder die, die es eingeleitet, noch die, die es unterschrieben haben, etwas", hielt der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried den Regierungsvertretern unter Hinweis auf die "lebensgefährlichen" Gesundheitsrisiken des Rauchens vor. Er appellierte an sie, gemeinsam einen Antrag für eine Volksabstimmung zu beschließen.

Rendi-Wagner startet Initiative

Die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner kündigt schließlich am Dienstag eine "parteiübergreifende Initiative" für eine Volksabstimmung über ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie an. Sie werde in den nächsten Tagen das Gespräch mit den anderen Parteien darüber suchen, sagte Rendi-Wagner im Gespräch mit der APA.

Da die anderen beiden Oppositionsparteien ohnehin dafür sind, werde sie in erste Linie den Kontakt mit den beiden Regierungsparteien suchen und an deren Verantwortungsbewusstsein appellieren. Sie wolle noch vor dem nächsten Nationalratsplenum mit den anderen Parteien ins Gespräch kommen, betonte die designierte SPÖ-Chefin. Man dürfe über die fast 900.000 Unterschriften für das "Don't smoke"-Volksbegehren "nicht einfach drüberfahren".

Das Thema sei viel zu wichtig, um es der Parteipolitik zu überlassen. Es gehe um die Gesundheit aller Menschen, vor allem der Kinder und Jugendlichen, da sei Parteipolitik "komplett fehl am Platz". Alle müssten jetzt Verantwortung übernehmen.

Neos: "Raus aus Selbstfesselung"

Koalitionstreue sei sicherlich "ein wichtiges Gut", stellte Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger fest – aber: ÖVP und FPÖ sollten sich doch "einen Ruck geben und rauskommen aus der Selbstfesselung", in die sie sich da begeben hätten. Knapp 900.000 Österreicher hätten ein "klares Signal" gesetzt, damit Österreich nicht mehr "der Aschenbecher Europas" genannt wird. Auch Liste Pilz-Klubobmann Wolfgang Zinggl sieht die 900.000 Unterschriften als "klaren Auftrag". Wird ein dermaßen unterstütztes Volksbegehren nicht ernst genommen, sei das ein "Generator für Frustrationen".

Die Arbeit von Don't smoke würde nun fortgesetzt werden, kündigen die Initiatoren an. "Bis ein Umdenken in der Politik stattfindet", sagte Szekeres.

Gewerkschaft: "Endlich Rechtssicherheit in der Gastro"

Auch die Vertretung der Arbeitnehmer fordert die Regierung zum Handeln auf. Als "eindeutiges Zeichen für gesunde Arbeitsplätze in der Gastronomie" hat Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida, das Ergebnis von "Don't smoke" gewertet. Die Bundesregierung sei "gut beraten, diese überwältigende Zahl an Unterstützerinnen und Unterstützern ernst zu nehmen und endlich für Rechtssicherheit in der heimischen Gastro zu sorgen".

Die derzeitige Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereich funktioniere nicht. Jene, die sich im sogenannten Nichtraucherbereich aufhalten, seien toxischen Stoffen ausgesetzt. "Tausende Kellnerinnen und Kellner sind täglich stundenlang Passivrauch ausgesetzt, selbst die tausenden Lehrlinge dürfen sich legal regelmäßig in verrauchten Räumen aufhalten, während nach dem Tierschutzgesetz für Tiere in Ställen stets für einen sauberen Luftwechsel gesorgt werden muss", sagte Tusch.

Für Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, hat die Regierung "jetzt die Chance zu beweisen, was ihr Ruf nach direkter Demokratie wirklich bedeutet.

Knapp 500.000 für Frauenvolksbegehren

481.906 Österreicherinnen und Österreicher haben das Frauenvolksbegehren unterzeichnet. Damit fand die Neuauflage weniger Zuspruch als das erste Frauenvolksbegehren. Dieses kam im Jahr 1997 mit 644.665 Unterschriften beziehungsweise 11,2 Prozent in die Top Ten.

Das Volksbegehren "ORF ohne Zwangsgebühren" kam auf 320.239 Unterschriften. Beide Volksbegehren müssen damit im Nationalrat behandelt werden. Die Hürde dafür liegt bei 100.000 Unterschriften.

Für FPÖ-Klubobmann Rosenkranz ist das Ergebnis aller drei Volksbegehren ausgesprochen respektabel. "Es zeigt den starken Wunsch der Bevölkerung nach direktdemokratischer Mitbestimmung", sagte Rosenkranz. Die ÖVP hat am Montagabend allen drei Volksbegehren "zu den starken Ergebnissen" gratuliert. "Auch wenn die Ziele vereinzelt knapp verfehlt wurden, ist das ein starkes Zeichen für die Demokratie", sagte Generalsekretär Nehammer.

"Österreichweite Bewegung"

Die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens zeigten sich am Montagabend zufrieden. Schifteh Hashemi, Sprecherin und Obfrau des Vereins, sprach von einem "unglaublich starken Signal" und einem "klaren Auftrag an die Regierung", die Stimmen und die Anliegen ernst zu nehmen.

Projektleiterin Lena Jäger betonte, es sei eine große, österreichweite Bewegung entstanden, die nicht länger übersehen werden könne. Hashemi sagte, die Menschen seien durch das Volksbegehren repolitisiert worden, das sei ein Zeichen der direkten Demokratie. Auch der Bevollmächtigte des Volksbegehrens, Christian Berger, sagte, es sei eine breite Bewegung quer durch alle politischen Lager entstanden, die auch von vielen Männern unterstützt werde. Man habe ein "politisches Feuer entfacht".

Pragmatisch gewählte Zahl

Dass man das Ziel – die knapp 650.000 Unterschriften des ersten Frauenvolksbegehrens von 1997 – nicht erreicht habe, spielten die Initiatorinnen herunter. Viel wichtiger als die Zahl seien die hunderttausenden Gespräche, die man für das Volksbegehren mit den Menschen geführt habe. Von den Forderungen des ersten Volksbegehrens seien nur eineinhalb umgesetzt worden. Jetzt habe man zwar weniger Unterschriften, aber die Forderungen würden breit diskutiert, sagte Hashemi.

Jäger erklärte, sie selbst habe vor einem Jahr 250.000 Unterstützer erwartet. Als diese Zahl aber dann schon mit der Einleitung des Volksbegehrens fast erreicht war, habe man das Ziel nach oben schrauben müssen. Die genannten 650.000 seien dann eine "pragmatisch gewählte Zahl" gewesen.

Stadt-Land-Gefälle

Bei den Volksbegehren gibt es ein auffälliges Stadt-Land-Gefälle. Im Wiener Bezirk Neubau fanden zwei der drei Volksbegehren den größte Zulauf: 28,36 Prozent unterschrieben in Neubau Don't smoke, 23,23 Prozent das Frauenvolksbegehren. Im Ländervergleich schnitten beide Initiativen in Wien am besten ab, während "ORF ohne Zwangsgebühren" im Burgenland prozentuell die stärkste Unterstützung fand.

Auffallend ist, dass das (landesweit von 13,82 Prozent unterschriebene) Rauchverbot in der Gastronomie den Österreichern über die neun Bundesländer hinweg ziemlich homogen ein Anliegen war. Die Spanne zwischen dem besten Landesergebnis (16,89 Prozent in Wien) und dem schlechtesten (11,51 Prozent in Tirol) war nicht allzu groß.

Das österreichweit von 7,56 Prozent unterstützte Frauenvolksbegehren fand in Wien mit 12,03 Prozent hingegen mehr als doppelt so großen Anklang wie in Kärnten (5,99 Prozent), Tirol (5,76) und Vorarlberg (5,11).

ORF will "Dialog fortsetzen"

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz will die Unterstützung für das Anti-"Zwangsgebühren"-Volksbegehren der Christlichen Partei Österreich (CPÖ) "ernst nehmen", hieß es am Montag. "Auch wenn in Summe rund fünf Prozent der rund 6,5 Millionen Österreicher, die die ORF-Angebote nutzen", dieses unterzeichnet hätten, werde man den "Dialog fortsetzen", gerade mit den Unterstützern.

Generell werde der ORF "im Hinblick auf die kommende parlamentarische Diskussion seine Informationsarbeit verstärken", so Wrabetz weiter. Die Abschaffung der Rundfunkgebühren würde "den Fortbestand des ORF in seiner heutigen Form mit seinem umfangreichen Leistungsangebot an österreichischer Information, Kultur, Sport und Unterhaltung gefährden. Damit wären weitreichende demokratiepolitische Konsequenzen und negative Auswirkungen auf die Eigenständigkeit des Medienstandortes Österreich verbunden."

Der Initiator des Volksbegehrens gegen die ORF-Gebühren, CPÖ-Chef Rudolf Gehring, zeigte sich mit dem Ergebnis "sehr, sehr zufrieden". Die mehr als 320.000 Unterschriften hätten seine Erwartungen übertroffen, sagte Gehring in der "Zeit im Bild". (APA, 8.10.2018)