Österreichische Gärnter sind gut bei Weihnachtssternen und Primeln, sagt Robert Bigl.

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Florist ist er selber keiner, die blühende Fantasie half Robert Bigl jedoch dabei, die größte Blumenhandelskette Österreichs großzuziehen. Er holte Holland Blumen unter das Dach seines Familienbetriebs B&B und will trotz Konkurrenz der Supermärkte weiter expandieren. Von Onlinehandel hält er wenig. Jungunternehmer warnt er vor offenen Rechnungen.

STANDARD: Frauen werden gern mit Blumen bedacht. Wieso bekommen Männer so selten ein Sträußerl?

Bigl: Ich würde mich über Blumen freuen, aber mir hat noch keiner welche geschenkt. Ich schenke sie mir jetzt selber.

STANDARD: Ihre Eltern führten einen Kfz-Betrieb. Hätten Sie sich einst gedacht, dass Sie Ihr Geld einmal in der Floristik verdienen?

Bigl: Ich habe als Kind Kaufmann gespielt. Der erste Weg war jedoch die Gastronomie. Ich habe mit einem Freund eine Berghütte in Zermatt in der Schweiz geführt. Zu den Blumen kam ich über Zufall.

STANDARD: Sind Männer in dieser Branche immer noch dünn gesät?

Bigl: Wir haben mittlerweile auch gelernte Floristen, die vor allem unsere Kundinnen sehr schätzen. Sie haben Geschmack und gute Umgangsformen. Ich stand früher ja selber im Geschäft. Meine Lieblinge waren die älteren Damen, sie wollten keinen anderen als mich. Als Mann kommt man hier mit ein bisserl Schmäh ganz gut an.

STANDARD: Sie begannen 1979 bei Holland Blumen Mark – ehemals Pionier für billige Schnittblumen.

Bigl: Es gab dort damals drei, vier Filialen in Österreich. Nach einigen Jahren wurde ich Geschäftsführer. Als ich ging, hatte Holland Blumen 140 Geschäfte.

STANDARD: Warum stiegen Sie aus, gründeten Ihren eigenen Betrieb?

Bigl: Es gab Missverständnisse mit dem früheren Eigentümer. Außerdem wollte ich Betriebswirtschaft studieren und holte dafür die Berufsreifeprüfung nach. Aber ich wusste sehr viel über Blumen, und letztlich überwog mein Wunsch nach Selbstständigkeit.

STANDARD: Hatten Sie finanziellen Rückhalt aus der Familie?

Bigl: Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Bub meinen Vater um ein Radl bat. Er sagte: Kauf dir selber eines. Also arbeitete ich dafür. Und das war gut so, weil Geld gab es von daheim keines.

STANDARD: Sie bauten die Blumenkette B&B auf 23 Filialen aus. 2014 übernahmen Sie Ihren ehemaligen Arbeitgeber: 50 Standorte von Holland Blumen Mark, der zwischenzeitlich in die Krise geschlittert war.

Bigl: Das war unsere Chance. Wir kannten ja die Filialen. Der damalige Eigentümer, ein Fonds, verstand nichts vom Blumenverkauf. Wir wunderten uns, wie es überhaupt so lang funktionieren konnte. Aber wir waren überrascht, wie gut die Mitarbeiter waren, vor allem in den Bundesländern. Viele waren froh, dass einer kommt, der was von Blumen versteht. Und wir haben mit B&B ja Geld verdient, hatten einen gesunden Betrieb.

STANDARD: Wie hoch war das Risiko für B&B, die deutlich kleiner war als ihr Rivale, im Falle des Scheiterns mitgerissen zu werden?

Bigl: Manche Leute gratulierten uns. Ich sagte, vielleicht könnt ihr mir ja bald kondolieren. Nein, im Ernst: Das Risiko war einschätzbar. Es brauchte jedoch mehr Investitionen als gedacht. Der Name Holland Blumen war an die Bank verkauft. Er war Millionen wert – sie hätte ihn um einen Bruchteil davon hergegeben. Aber er war belastet: Mitarbeiter hatten ja keine Löhne erhalten, Geschäfte schauten leer aus. Wir waren dann überrascht, wo die Marke Holland Blumen überall draufstand. Das alles auf B&B zu ändern, war heftig.

STANDARD: Was, wenn Sie sich finanziell übernommen hätten?

Bigl: Dann wär ich beim Gerngroß Staplerfahrer geworden. Es wäre eine Niederlage gewesen, aber ich bin mit nichts gekommen, und ich kann auch mit nichts wieder gehen. Was braucht man schon großartig zum Leben. Zwei Jahre lang haben wir mit den neuen Standorten nicht sehr viel Geld verdient. Aber so langsam fängt es an. Das letzte Jahr war hervorragend.

STANDARD: Was lief bei Österreichs einst größter Blumenkette schief?

Bigl: Man wollte chic und cheap. Für Ersteres muss man viel Geld in die Hand nehmen, fürs Billigsein fehlte es an Ware und damit an Umsatz. Der Grund, warum es so lang finanziert werden konnte, waren die Standorte: Die Hälfte war im Eigentum. Der Fonds, der bei Holland Blumen eingestiegen war, suchte dafür Anlagekäufer und mietete Filialen ein. Da waren welche dabei, die sich in tausend Jahren nicht rechnen. Wir sind mittlerweile bestrebt, gute Standorte wieder zurückzukaufen.

STANDARD: Holland Blumen suchte vor der Insolvenz noch Franchisepartner, wollte nach Osteuropa ...

Bigl: Mitarbeiter des Fonds machten sich bei uns schlau, da wir gut organisiert waren. Ich sagte ihnen: Schaut erst einmal, dass bei den 140 Läden die Hacken rennt, dass ihr die Geschäfte hochkriegt, dass die Umsätze funktionieren. Man hat sich dort mit 1000 Sachen beschäftigt – nur nicht mit dem, was man eben gekauft hatte.

STANDARD: Sie planen mit B&B ein Netz von bis zu 200 Filialen in Österreich. Wie soll das gelingen?

Bigl: Es ist realistisch, wir machen nach wie vor jedes Jahr mehr Umsatz. Nur müssen Standorte und Mitarbeiter passen. Wir sind ständig auf der Suche danach. Wir brauchen jedoch keine Fußgängerzone und kein Einkaufscenter, sondern Parkplätze. Unser Kunde kommt mit dem Auto, bleibt stehen, kauft und gibt wieder Gas.

STANDARD: Wollen Sie dafür Franchisepartner?

Bigl: Nein. Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Bei allen Franchisebetrieben bei Holland Blumen Mark ging es bergab.

STANDARD: Sie könnten sich auch an bestehenden florierenden Filialen erfreuen und mit knapp 60 Jahren leiser treten. Was treibt Sie an?

Bigl: Gute Frage, die ich mir noch nicht gestellt habe. Es macht Spaß, und ich finde es interessant, welche Eigendynamik ein Betrieb bekommt. Ein bisserl was läuft stets schief, im Großen und Ganzen jedoch funktioniert es reibungslos. Und wenn es funktioniert, warum soll ich dann nicht weitermachen? In Pension zu gehen, kann ich mir nicht vorstellen. Was tät ich da?

STANDARD: Es heißt, Sie spielen gerne "Mensch ärgere Dich nicht" ...

Bigl: (lacht) Ich mag Brettspiele – wenn ich einen Schritt voraus bin. Ich verliere ungern.

STANDARD: Jeder Supermarkt, jede Tankstelle verkauft Schnittblumen. Kann man in diesem dornigen Umfeld wirklich noch was gewinnen?

Bigl: Blumen passen nicht zu Lebensmitteln. Was wenige wissen: Lebensmittelhändler sollten keine Blumen verkaufen. Sie müssen dafür sorgen, dass es zu keiner Kontaminierung kommt. Stellen Sie sich vor: eine Topfpflanze auf dem Laufband vor der Kassa, Erde fällt raus, andere legen eine Semmel hin. Das kann für Schwangere und Ältere ein Problem sein, denn Erde ist nicht keimfrei. Aber wo kein Kläger, da kein Richter.

STANDARD: Sie könnten klagen.

Bigl: Ich müsste jemanden finden, der Schaden genommen hat, und den finde ich nicht.

STANDARD: Schnittblumen sind sensibel und welken rasch. Wie bewältigen Sie die engmaschige Logistik von Wien bis Bregenz?

Bigl: Es ist eine tägliche Herausforderung. Wir haben zwei Logistikzentren, wohin die Ware von österreichischen Gärtnern und aus Holland angeliefert wird. Dreimal die Woche liefern wir von hier in die Bundesländer und nach Wien.

STANDARD: Wie kaufen Sie ein?

Bigl: Die Drehscheibe für Blumen ist Holland. Wir haben dort seit 22 Jahren einen eigenen Einkaufsbetrieb. Blumen werden in Holland versteigert – wobei der Preis, im Gegensatz zu anderen Börsen, von oben nach unten geht. Eine Rose fängt bei zwei Euro an. Die Uhr läuft in hoher Geschwindigkeit. Wer dringend was braucht, zahlt mehr. Dieselbe Ware vom selben Gärtner wird später günstiger.

STANDARD: Was ist mit Blumen aus Österreich? Kämen Sie damit auch ohne Importe durchs Jahr?

Bigl: Nein, auch wenn wir großen Wert auf österreichische Gärtner legen. Sie sind sehr gut, etwa bei Weihnachtssternen und Primeln. Sommerprodukte kann man zu 50 Prozent aus Österreich abdecken. Aber es gibt hier keinen, der Grünpflanzen produziert. Viele Gärtner hören auf, Genossenschaften kaufen ihre Grundstücke auf.

STANDARD: Wie halten Sie es eigentlich mit dem Onlinehandel?

Bigl: Den kann man komplett vergessen. Gott sei Dank. Wir haben vor 15, 20 Jahren damit begonnen – es funktionierte nicht. Niemand kauft Frischwaren wie Blumen im Internet. Da brauchen wir nicht drüber nachdenken. Unser Kunde will sehen, was er kauft.

STANDARD: Wie offen sind Sie für neues Sortiment, wie reizvoll ist der Hype um legalen Hanf?

Bigl: Eine wunderschöne Pflanze, sieht unheimlich gut aus. Es hätte mich ja rein vom Werbewert her interessiert – ein Inserat, auf dem steht: Cannabis eingetroffen. Aber ich hab mich nicht getraut. Unter konservativen Damen ging ich da wohl als Drogendealer durch. Ich hatte einen Gärtner, der Cannabis-Pflanzen in nicht blühendem Zustand verkauft. Robert, hat er gesagt, wennst nicht bald damit anfangst, wirst der Letzte sein. Nun lese ich, dass sich sogar Coca-Cola mit Cannabis beschäftigt. Mache ich einen Fehler? Aber ich denke, ich warte doch noch lieber ab.

STANDARD: Sie sind mit B&B seit 30 Jahren im Geschäft, gelten als unermüdlicher Arbeiter, der rund um die Uhr erreichbar ist. Sind Sie für Jungunternehmer ein Vorbild?

Bigl: Ich kenne Unternehmer, die eine Firma gründen und drei Wochen später zwei Wochen in den Urlaub fahren. Unvorstellbar für mich. Was will er? Urlaub machen oder ein Unternehmen gründen? Wichtig ist, nicht auf großem Fuß zu leben und das Geld, das man verdient, zu reinvestieren. Ich halte auch nichts von langen Zahlungszielen. Holland ist so organisiert: Kauf und zahle. Auf Versteigerungen legst du Geld hin, immer die doppelte Summe. Drückst du, ist es vom Konto abgezogen. Eine gute Lösung. Alle meine Blumen hier sind bezahlt. Mit langen Zahlungszielen verlierst du die Übersicht, kannst nicht frei agieren. Du glaubst, die Geldlade ist voll, obwohl dir nichts davon gehört. (Verena Kainrath, 6.10.2018)