Während vor einigen Jahren soziale Medien vielerorts noch als Hoffnung für die Demokratie gesehen wurden, ist dieser Optimismus mittlerweile einer düstereren Diagnose gewichen.

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Woher beziehen die Österreicher ihre Informationen über das politische Geschehen? Noch sind zwar Fernsehen, Radio und Tageszeitungen die wichtigsten Quellen, ihre Bedeutung ist aber leicht rückläufig. Laut Reuters Digital News Report sank der Anteil jener, die Politik-Information aus TV und Print beziehen, zwischen 2015 und 2018 (von 78 auf 71 beziehungsweise von 71 auf 63 Prozent der Befragten), während die Bedeutung sozialer Medien deutlich zunahm (von 38 auf 49 Prozent).

Während vor einigen Jahren (man denke an die Wahlkampagnen Barack Obamas oder den Arabischen Frühling) soziale Medien vielerorts noch als Hoffnung für die Demokratie gesehen wurden, ist dieser Optimismus mittlerweile einer düstereren Diagnose gewichen. Phänomene wie Fake-News, russische Troll-Armeen und politisch motivierte Hasspostings haben die dunkle Seite sozialer Medien gezeigt. Nicht zuletzt werden Youtube, Facebook, Twitter und Konsorten oft als Motoren politischer Polarisierung angeklagt.

Oft genug bleiben solche Diagnosen allerdings ohne große empirische Grundlage oder stützen sich auf anekdotische Evidenz. Abhilfe schaff hier die Autnes-Vorwahlstudie 2017, die während des Wahlkampfes zur letzten Nationalratswahl rund 1.800 Personen befragte, ob sie in sozialen Netzwerken Postings mit politischem Inhalt lesen, teilen oder selbst verfassen würden. Die Grafik unten zeigt den Anteil jener Befragten, die das zumindest mehrmals pro Monat machen – aufgeschlüsselt nach politischer Selbsteinstufung auf einer Skala von 0 (links) bis 10 (rechts).

Für alle drei Aktivitäten – lesen, teilen und selbst posten – erkennen wir ein U-förmiges Muster. So lesen mehr als die Hälfte der Personen, die weit links oder weit rechts stehen, Postings mit politischem Inhalt in sozialen Netzwerken. Von jenen, die sich in der Mitte einstufen, macht das nur ein Drittel. Ähnlich verlaufende Kurven – natürlich auf niedrigerem Niveau – sehen wir für das Teilen und Verfassen solcher Postings. Je weiter am Rand sich jemand also politisch verortet, desto wahrscheinlicher ist er oder sie in sozialen Medien politisch aktiv.

Nun könnte man einwenden, dass diese Muster einfach nur politisches Interesse widerspiegeln. Wer sich stärker mit Politik befasst, hat wohl auch gefestigtere Meinungen und tendiert daher zu extremeren Ansichten. Allerdings lässt sich die U-förmige Kurve für politisches Interesse nicht nachweisen – genauso wenig für Nachrichtenkonsum per TV oder Printmedien. Die stärkere Präsenz der Extreme scheint also ein Spezifikum sozialer Medien zu sein.

Die Autnes-Daten von 2017 legen also nahe, dass das Meinungsspektrum in sozialen Netzwerken stärker polarisiert ist als anderswo. Das muss aber noch nicht heißen, dass soziale Medien ihre User zu extremeren Standpunkten hintreiben. Es könnte auch einfach sein, dass Facebook, Twitter und Konsorten extremere Meinungen überproportional anziehen. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 4.10.2018)