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Mittagspause in Capitol Hill, mit dem Kongressgebäude als malerische Kulisse.

Foto: AFP / Getty Images / Aaron P. Be

James Carville weiß nur zu gut, was einen Wahlkampf bestimmt. "It's the economy, stupid!", hat er es einmal auf eine prägnante Zeile gebracht, der Stratege, der mit dafür sorgte, dass Bill Clinton 1993 ins Weiße Haus einziehen konnte. Unter normalen Umständen, sagt Carville heute, stünde auch im Herbst 2018 die Ökonomie klar im Vordergrund – wäre da nicht Donald Trump. "Er hat sich größer gemacht als die Wirtschaft. Jede Unterhaltung beginnt und endet mit Trump."

Zwar steht der Name des Präsidenten auf keinem Wahlzettel, wenn am 6. November die Midterm-Elections über die Bühne gehen. Entschieden wird über die 435 Sitze des Repräsentantenhauses, dazu über 35 der 100 Senatsmandate. Und doch dreht sich alles um Trump. Zum einen hängt von dem Ergebnis ab, wie er in den nächsten zwei Jahren regieren kann: ob nach wie vor ungebremst oder aber eingeschränkt, konfrontiert mit einer Demokratischen Partei, die ihm Knüppel zwischen die Beine werfen kann, statt wie bisher in ohnmächtiger Machtlosigkeit zuzuschauen.

Momentan bilden die Republikaner die Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Ändert sich das, wird es Trump nicht nur schwerer fallen, seine Agenda im Kongress durchzusetzen. Er muss auch damit rechnen, dass die Demokraten das Heft des Handelns auf eine Weise in die Hand nehmen, die ihn zu kurzatmigem Reagieren verdammt. Nach alter Tradition stellt die Mehrheitspartei die Vorsitzenden der Parlamentsausschüsse. Sie kann erzwingen, dass Regierungsmitglieder vorgeladen werden, etwa um Interessenkonflikte zum Thema zu machen. Im Extremfall könnte sie auf die Amtsenthebung des Präsidenten drängen, auch wenn die Spitzen der Opposition derzeit davon abraten – aus Angst davor, das könnte ihre Partei zu einer destruktiven Kraft stempeln.

Magische Zahl 23

Wie auch immer: Die magische Zahl ist die 23. So viele Sitze müssen die Demokraten zusätzlich gewinnen, wollen sie den Republikanern die Kontrolle über das Abgeordnetenhaus streitig machen. Das scheint möglich: Zum einen lässt die Partei, die den Amtsinhaber im Weißen Haus stellt, fast immer Federn bei den Midterms. Zum anderen spricht die Wahlgeografie für Trumps Gegner.

Zum ersten Punkt: Die ungeschriebene Regel hat sich immer dann bestätigt, wenn die Zustimmungswerte für die Amtsführung des Staatschefs die 50-Prozent-Marke unterschreiten. Im Falle Trumps liegen sie nach einem Durchschnittswert der Online-Plattform Real Clear Politics bei 41 Prozent. Sein polarisierender Stil fällt offenbar stärker ins Gewicht als der Wirtschaftsboom, von dem er eigentlich zehren müsste.

Zumindest bauen die Demokraten auf den Faktor Trump: Er soll ihnen helfen, Anhänger zu mobilisieren, die bei Halbzeitwahlen häufig durch Abwesenheit glänzen. Gerade jene demografischen Gruppen, die bei Midterms oft zu Hause bleiben – junge Leute und Hispanics -, zählen zu ihren Stützen. Definiert durch die Parteifarbe der Demokraten, steht das Szenario der "blue wave" für einen Machtwechsel in der Abgeordnetenkammer. Es ist das Szenario, das zurzeit den Diskurs in Washington prägt. Obwohl manche nach den Erfahrungen des Jahres 2016, als die Umfragen einen Sieg Hillary Clintons erwarten ließen, zur Nüchternheit raten.

Harter Kampf um Suburbia

Zur Wahlgeografie: Laut Cook Political Report sind 65 Wahlkreise hart umkämpft. Bei vielen sind es solche, in denen Clinton mehr Stimmen holte als Trump. Chancen rechnen sich die Demokraten insbesondere in Suburbia aus, den Vororten, wo sich Wähler mittlerer und höherer Einkommensschichten sowohl an Trumps grober Sprache als auch an seinen Scharmützeln mit Kanada und Europa stoßen. Viele Frauen könnten ihm für seinen Sexismus einen Denkzettel verpassen. Auch die Missbrauchsvorwürfe gegen Trumps Kandidat für das höchste Richteramt, Brett Kavanaugh, könnten nachteilige Effekte für die Republikaner haben. Der vorerst vertrauliche Inhalt eines FBI-Berichts dazu, der am Donnerstag dem Justizausschuss vorgelegt wurde, sorgte jedenfalls für große Spannung im Senat – auch wenn er dem Vernehmen nach "keine Bombe" enthalte.

Im Senat allerdings sind es die Konservativen, die von der Wahlgeografie profitieren: Zwar müsste die Opposition netto nur zwei Sitze dazugewinnen. Das aber wäre eine Sensation, denn die Demokraten sind im Rennen um den Senat in der Defensive: Sie haben 26 Sitze zu verteidigen, die Republikaner nur neun. Senatorinnen wie Claire McCaskill aus Missouri oder Heidi Heitkamp aus North Dakota oder auch ihre Kollegen Joe Donnelly (Indiana) und Joe Manchin (West Virginia) müssen um ihre Wiederwahl bangen.

Andererseits würde ein Paukenschlag dröhnen, sollten die Demokraten Texas erobern: Mit dem charismatischen Pragmatiker Beto O'Rourke haben sie dort einen Kandidaten ins Duell gegen Platzhirsch Ted Cruz geschickt, der Erinnerungen an Barack Obama weckt. (Frank Herrmann, 5.10.2018)