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Satellitenaufnahmen von Balaroa, einem Viertel der indonesischen Stadt Palu, vor und nach dem Tsunami: Auf ihnen ist die Zerstörung deutlich zu sehen.

Foto: AP

Inmitten all der Schreckensmeldungen, Trümmerbilder und Schuldzuweisungen gab es doch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Sapri Nusin heißt der Mann, der am Montagabend in Palu aus den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes gezogen wurde. "Kannst du gehen?", fragt ihn ein Retter. "Ja, aber ich bin sehr durstig."

Doch nur einen Tag später gaben die Behörden an, dass die Zahl der Toten der Erdbeben- und darauffolgenden Tsunamikatastrophe auf der indonesischen Insel Sulawesi nun auf mehr als 1.400 gestiegen sei. Über 61.000 Menschen seien obdachlos, 191.000 Menschen laut UN-Schätzungen auf Nothilfe angewiesen. Und dabei haben Helfer zahlreiche abgelegene Gebiete noch gar nicht erreicht. Hinzu kamen zwei neue Erdbeben vor der Insel Sumba, schwere Schäden wurden hier aber zunächst noch nicht gemeldet.

Während inzwischen auch Hilfe aus dem Ausland eintraf, ist weiterhin die Frage offen, weshalb das Warnsystem bei der Katastrophe vom vergangenen Freitag nicht das Schlimmste verhinderte. Schließlich gilt es als auf dem neuesten Stand und maßgeschneidert für Indonesien, das aufgrund seiner geografischen Lage besonders gefährdet ist.

Hilfe aus Deutschland

Das System wurde nach dem verheerenden Tsunami vom 26. Dezember 2004 in einem gemeinsamen Projekt von Deutschland und Indonesien ins Leben gerufen. Federführend war dabei das Geoforschungsinstitut in Potsdam. Jörn Lauterjung hatte die Kooperation damals koordiniert und versichert jetzt gegenüber dem STANDARD, dass auch diesmal alles funktioniert habe. "Die Warnung traf nach fünf Minuten im Frühwarnzentrum in Jakarta ein." Dann wird sie im Idealfall neben diversen Kommunikationskanälen wie TV, Radio oder Internet vor allem an die lokalen Behörden weitergeleitet, die durch Sirenenanlagen, Lautsprecherdurchsagen oder sonstige Einrichtungen für eine Evakuierung der Küstengebiete sorgen sollen. In Palu, der verwüsteten Küstenstadt, hat dies eindeutig nicht funktioniert.

Warum, das ist die Frage, die sich auch Lauterjung stellt. "Wir wissen noch nicht, ob die lokalen Behörden die Warnung nicht ernst genommen haben oder sie vielleicht mit den Folgen des Bebens beschäftigt waren."

Was Lauterjung aber viel nachdenklicher stimmt: "Das Erdbeben war stark und hat in Palu horrende Schäden verursacht. Für mich ist es unverständlich, dass die Menschen dann nicht die Strände verlassen haben." In Workshops habe man immer darauf hingewiesen, dass die Menschen auch auf natürliche Tsunami-Warnzeichen achten sollen – ein solches ist zweifellos ein Beben der Stärke 7,4.

Mehr Bewusstsein schaffen

Die Menschen in Indonesien, so Lauterjung, hätten viel Erfahrung mit Erdbeben: "Das passiert dort fast jeden Tag und die können sicher ein starkes von einem weniger starken Beben unterscheiden." Dass so viele Menschen trotzdem in Küstennähe blieben, stimme ihn traurig. "Wir müssen hier noch sehr viel Bewusstsein für solche Gefahren schaffen, das bedeutet sehr viel Arbeit für die nächsten Jahre", so der Geophysiker.

Einen anderen Streitpunkt findet Lauterjung hingegen nicht so brisant, nämlich die Aufhebung der Tsunami-Warnung nach bereits 30 Minuten, obwohl dies eigentlich frühestens nach zwei Stunden erfolgen sollte. "Das hatte im Endeffekt keine Auswirkungen, weil der Tsunami dann schon da war", erklärt er.

Ursprünglich, so der Geophysiker, hätten in dem auch diesmal funktionierenden Warnsystem, das seit 2007 etwa 20-mal angeschlagen hat, auch Bojen zum Einsatz kommen sollen, um die Entstehung von Tsunamis besser messen zu können. "2010 haben wir das aber gelassen, weil indonesische Fischer sie oft als Ankerplatz genutzt haben." (Kim Son Hoang, 2.10.2018)