Die Fossilien von Palaeopascichnus, erstmals Ende der 1970er Jahre entdeckt, gaben der Forschung lange Zeit Rätsel auf.
Foto: Anton Kolesnikow

Dass das Zeitalter des Kambriums als Periode einer explosiven Zunahme der Artenvielfalt gilt, liegt auch am Fossilienbefund. Erst in diesem Zeitalter entwickelten Tiere harte Körperteile wie Schalen oder Zähne, die erhalten blieben. Inzwischen weiß man, dass auch die Epoche davor, das Ediacarium (vor 635 bis 541 Millionen Jahren), reich an Leben war – es gibt davon nur wesentlich weniger Zeugnisse. Und selbst in der Ära davor, dem Cryogenium, das von 720 bis 635 Millionen Jahre vor unserer Zeit währte und der Erde die größten Eiszeiten ihrer Geschichte bescherte, dürfte es schon mehr als nur Mikroben gegeben haben.

Zu einem dieser uralten Organismen ist nun eine neue Studie im Fachjournal "Precambrian Research" erschienen. Das Wesen aus dem Ediacarium verfügte überraschenderweise bereits über ein Gehäuse respektive ein Exoskelett – allerdings war es eines, das es sich im Lauf seines Lebens selbst zusammenbasteln musste.

Neuuntersuchung

Ein Team russischer Forscher um den Paläontologen Anton Kolesnikow hat Spuren untersucht, die der rätselhafte Organismus Palaeopascichnus linearis in der Olenek-Region in Nordsirbirien hinterlassen hat. Diese Spuren sehen wie Ketten von aneinandergereihten Ellipsoiden aus – worum es sich dabei handelt, war lange Zeit völlig unklar. Interpretationen reichten von "Fußspuren" eines unbekannten Organismus im damaligen Meeresboden bis zu versteinerten Ansammlungen von Kot.

Kolesnikows Team kam nach einer Reihe von elektronenmikroskopischen und tomografischen Untersuchungen nun aber zum Schluss, dass man damit tatsächlich Körperabdrücke von Palaeopascichnus vor sich hat. Es habe sich um einen Protisten gehandelt, also um ein einzelliges Wesen mit Zellkern, das aber weder zu den Tieren noch den Pflanzen oder Pilzen gehörte. Es habe Partikel aus seiner Umgebung aufgesammelt und sich daraus sein Exoskelett zusammengestellt – das erste dieser Art in der bisher bekannten Geschichte des Lebens.

Vergleichbare Wesen gibt es noch heute

Kolesnikow sieht in Palaeopascichnus einen möglichen Ahnen von Lebewesen, die es heute noch gibt: Die wenig bekannten Xenophyophoren leben am Boden der Tiefsee und bauen sich ebenfalls ein Gehäuse aus aufgesammelten und verklebten Partikeln. Auch sie sind Protisten und erreichen Ausmaße, die für Einzeller sagenhaft sind: bis zu 25 Zentimeter.

Palaeopascichnus überlebte bis ins Kambrium, also wesentlich länger als die ebenso berühmte wie immer noch rätselhafte Ediacara-Fauna, die sich rings um ihn entwickelte. Wenn er tatsächlich der ferne Vorfahr der heutigen Xenophyophoren war, dann handelte es sich bei ihm nicht nur um einen Pionier, sondern um ein wahres Erfolgsmodell der Evolution. (jdo, 6. 10. 2018)