Goran Djuricin hat die Sinnlosigkeit seines Tuns eingesehen, sein Vertrag wäre im Sommer 2019 ausgelaufen.

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Wien – In den letzten zehn Minuten, der SKN St. Pölten führte im Allianz-Stadion 2:0 und war absolut ungefährdet, ist Goran Djuricin nur noch stocksteif dagestanden. Er, der normalerweise durch die Coachingzone schurlt, mit Händen und Füßen Anweisungen gibt, hatte die Arme verschränkt, blickte starr vor sich hin. Nicht einmal den Kopf hat er geschüttelt. Als Schiedsrichter Robert Schörgenhofer Gnade walten ließ und aus Sicht Rapids den Jammer, diese fußballerische Bankrotterklärung mit einem lauten Pfiff stoppte, verabschiedete sich Djuricin zunächst von jenen, die geknickt auf der Bank saßen. Von seinen Assistenten, von den Reservisten. Dann ging der 43-Jährige aufs Spielfeld, umarmte jeden seiner gedemütigten Kicker. Auch den einen oder anderen siegreichen St. Pöltener hat er getätschelt, den Kollegen Dietmar Kühbauer inklusive.

Zehn Jahren ohne Titel

Auf der Westtribüne riefen ein paar Unentwegte "Gogo raus", es war aber ein recht leiser Chor, Geschmack kann man nicht kaufen. Wären die Gesänge, die Aggressionen in den vergangenen Wochen und Monaten derart im Rahmen geblieben, vielleicht wäre die Geschichte anders ausgegangen – vielleicht aber auch nicht. Die Mechanismen im Fußball sehen jedenfalls vor, dass ein Trainer, der aus neun Ligapartien neun Zähler holt und Siebenter ist, abserviert wird. Es sei denn, er coacht Altach, Ebreichsdorf oder Amstetten. Aber bei Rapid, am Samstag noch Siebenter, seit Sonntag gar Achter, geht das gar nicht. Seit zehn Jahren ist der Verein ohne Titel, bei der Anhängerschaft baute sich Frust auf, der Grat zur Ausschreitung ist dann nur ein schmaler. "Unsere Nerven liegen blank, die Akkus sind leer. 15 Minuten Schweigen, denn wir wollen nicht mehr", stand auf einem Transparent. Diese Viertelstunde des Schweigens wurde von vielen als gar nicht so unangenehm empfunden.

Am Samstagabend um 19.22 Uhr war es offiziell. Djuricin ging mit Würde. Er bat um Verständnis, keinen Kommentar abzugeben. Er müsse das Erlebte sacken lassen, darüber schlafen. Nicht einmal, mehrmals. In der Kabine soll es mucksmäuschenstill gewesen sein. Von Djuricin wurde der Satz kolportiert: "Es ist sinnlos, es ist vorbei."

Teufelskreis, Spirale, Rucksack

Sportvorstand Fredy Bickel trat vor die Presse, er hat schon fröhlicher dreingeschaut. Zu viele Mechanismen seien zusammengekommen. "Es ist ein Teufelskreis, der irgendwo begonnen und sich immer schneller gedreht hat. Wir müssen mit diesem Schritt versuchen, die Spirale zu stoppen. Ich hatte das Gefühl, dass wir keine Rucksäcke, sondern ganze Koffer auf den Platz mitschleppen." Die Mannschaft, die der Schweizer als "gut", "sensibel" und "intelligent" bezeichnete, "konnte nicht mit der Situation umgehen. Die Qual musste unterbrochen werden."

Er habe gehofft, dass der Cupsieg im Elferschießen in Mattersburg ein Befreiungsschlag hätte sein können. "War er nicht." Und dann würdigte er Djuricin. "Er hat immer auf den Verein geschaut, hat alles mitgetragen. Ich habe große Bewunderung für ihn, wie er die letzten Wochen überstanden hat und mit wie viel Energie er vor der Mannschaft gestanden ist. Vielleicht wird er die Trennung irgendwann als Erlösung empfinden."

Die Spieler übten sich in Selbstkritik, Kapitän Stefan Schwab sagte: "Die Schlinge ist immer enger geworden, wir haben dem Druck absolut nicht mehr standhalten können. Es tut mir leid um den Trainer, er hat alles reingehaut. Es war nicht mehr menschlich, was rundherum passiert ist. Wir haben jetzt in viereinhalb Jahren vier Trainer verbraucht. Deshalb: Null Vorwurf an den Trainer, sondern da muss sich jeder Einzelne im Verein an der Nase nehmen."

Mobbing

Mag sein, dass Djuricin bisweilen überfordert war. Im April 2017 übernahm er vom gefeuerten Damir Canadi, von Platz acht schaffte er es auf Rang drei. Okay, einmal hat er ausgespuckt, der Satz "Man kann nicht immer einen Sieg verlangen" war suboptimal. Ob er in Mattersburg einem Fan auf der VIP-Tribüne, der ihn wüst beschimpft hatte, den Mittelfinger gezeigt hat, ist nebensächlich. Ab Runde drei, dem 0:0 gegen den WAC, wurde er von Hardcore-Fans gemobbt. Djuricin versank in den Untiefen der sozialen Medien. Am schlimmsten war es wohl in der Europa League, Rapid führte gegen Steaua 2:0, als seine Ablöse massiv gefordert wurde. Davon erholte er sich nie. Jedes Heimspiel wurde zur Neurose.

Am Montag tagt das Präsidium, man wird sich an den Nasen nehmen. Auch Chef Michael Krammer, die Obernase, gestand Fehler ein. Zum Beispiel hätte er einst Zoran Barisic nie entlassen dürfen. Bickel wird einen Nachfolger vorschlagen, am Dienstag könnte alles offiziell sein. Vorerst übernehmen die Assistenten Thomas Hickersberger und Martin Bernhard. Kühbauer brodelt in der Gerüchteküche. Bickel: "Ich lehne Spekulationen ab." (Christian Hackl, 30.9.2018)