80 Prozent der vorzeitigen Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter von 30 bis 70 Jahren könnten durch eine Kontrolle der Risikofaktoren und einen gesunden Lebensstil verhindert werden.

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Dauerhaftes Sitzen ist ein Risiko für Herz und Gefäße. Dass viele Erwerbstätige während der Arbeit vorwiegend sitzen oder stehen und so viele Stunden pro Tag ohne körperliche Aktivität verbringen, bereitet Herzspezialisten daher Sorge: "Das erhöht die Gefahr für Risikokrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes, wodurch das Risiko für Herzinfarkt und andere Herzerkrankungen steigt", sagt der Kardiologe Thomas Voigtländer von der Deutschen Herzstiftung.

Auch die genetische Veranlagung, Übergewicht, das Alter, Ernährung, zu viel Alkohol, Rauchen und chronischer Stress sind Risikofaktoren für Herzerkrankungen. Schätzungen zufolge sind 80 Prozent der vorzeitigen Todesfälle, die durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorgerufen werden, durch die Kontrolle von Risikofaktoren und einen gesunden Lebensstil vermeidbar. Dazu gehören etwa Gewichtsreduktion, Zuckerkontrolle, ausreichend Schlaf und Bewegung.

Gefäßverkalkung bremsen

"Ausdauerorientierte Bewegung am besten fünfmal pro Woche je 30 Minuten gemäß der WHO-Empfehlung. Aber mit intensiver körperlicher Aktivität dreimal pro Woche je 30 Minuten ist auch schon viel erreicht", sagt Voigtländer.

Durch Bewegung kann vor allem die Entstehung und das Fortschreiten der Arteriosklerose ("Gefäßverkalkung") gebremst werden. Dabei handelt es sich um eine Verhärtung der Arterien, die meist über Jahre hinweg entsteht. Sie führt durch Ablagerungen (Plaques) und Kalk in der Gefäßwand und chronische Entzündungsprozesse dauerhaft zur Durchblutungsstörung. Wenn ein Gefäß vollständig verstopft ist, können Herzinfarkt und Schlaganfall die Folge sein.

Oft unbehandelt

Die häufigste Art der Arteriosklerose ist die Atherosklerose, sie kann eine Herzklappenerkrankung (Erkrankungen der Mitralklappe und Aortenklappenstenose) zur Folge haben. "Unbehandelt führen 50 Prozent der Aortenklappenerkrankungen nach dem Auftreten von Symptomen innerhalb eines Jahres zum Tod. Schätzungen zufolge könnten in Österreich bis zu 115.000 der über 65-Jährigen von einer Aortenstenose betroffen sein. Tatsächlich gibt es jährlich nur wenige tausend Behandlungen", sagt Martin Thoenes vom Medizintechnik-Unternehmen Edwards Life Sciences.

Auch Diabetikern hilft Bewegung bei der Vermeidung von Herzkrankheiten. Ein Studie mexikanischer und amerikanischer Forscher hat kürzlich ergeben: Männer mit Typ-2-Diabtes, die weniger als 400 Meter am Tag zu Fuß gingen, hatten ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Herzkrankheit im Vergleich zu gesunden Männern, die genauso wenige Schritte am Tag absolvierten. Anders verhielt es sich aber, wenn die Männer viel aktiv waren und mehr als 2,4 Kilometer am Tag (das entspricht je nach Schrittlänge etwa 3.430 bis 4.000 Schritten) spazierten: In diesem Fall wiesen die Männer mit Diabetes kein höheres Risiko, am Herzen zu erkranken, im Vergleich zu gesunden Männern auf.

Tipps für mehr Bewegung im Alltag

Für viele Menschen ist es eine Herausforderung, Bewegung in den Alltag einzubauen. Wie es trotzdem gelingen kann, dafür kennt Martin Halle, Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der Technischen Universität München, einige gute Tipps.

  • Kein übertriebener Ehrgeiz: "Sie müssen nicht zur Sportskanone werden. Auch Durchhänger sind erlaubt", sagt er. Schon zehn Minuten am Tag, gezielt eingesetzt, haben enorme Gesundheitseffekte.
  • "Bauen Sie überall in den Alltag Bewegung ein: Jeder Schritt zählt. Machen Sie mit Ihren Arbeitskollegen in der Mittagspause einen zehnminütigen zügigen Spaziergang oder gehen Sie abends noch einmal für zehn Minuten um den Häuserblock."
  • Treppe statt Lift: "Sie werden den Trainingseffekt innerhalb von zwei bis drei Wochen bemerken. Auch einzelne Stockwerke zu nehmen, möglichst zügig, zeigt deutliche und schnelle Trainingseffekte. Legen Sie einen Teil Ihres Arbeitsweges zügig zu Fuß zurück, steigen Sie eine Haltestelle früher aus dem Bus aus."
  • Es ist nie zu spät, mit körperlicher Aktivität zu beginnen. "Wenn Sie schon sehr lange keinen Sport mehr betreiben, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder andere Beschwerden haben, sprechen Sie zuvor mit Ihrem Arzt."
  • "Suchen Sie sich eine Bewegungs- oder Sportart aus, die Ihnen Spaß macht. Vielleicht haben Sie eine, die Sie früher gerne ausgeübt haben? Da tun Sie sich leichter mit dem Wiedereinstieg", so der Mediziner. Zu Beginn gehe es zunächst darum, das "Gehirn zu trainieren", den Rhythmus zu finden: Das erste Ziel sollte sein, täglich an Bewegung zu denken und beispielsweise den zehnminutigen Spaziergang einzuplanen. Dafür braucht man keinen Arzt – aber Selbstdisziplin. "Und wenn es einmal nur fünf Minuten sind, ist es auch okay", so Halle. Aber täglich und regelmäßig müsse es sein.
  • "Passen Sie das Training Ihrer Fitness an, steigern Sie es langsam, damit Sie die Freude an der Bewegung behalten." Gehen Sie schrittweise vor: zunächst Regelmäßigkeit anstreben, dann die Trainingsdauer verlängern, danach die Intensität steigern.
  • Wer berufsbedingt überwiegend sitzt, sollte zwischendurch immer einmal wieder aufstehen, beispielsweise nach dem Lesen von E-Mails oder zum Telefonieren. Auch tägliche Rituale wie das Zähneputzen können zu kleinen Kraft- und Koordinationsübungen genutzt werden. "Machen Sie vor dem Zähneputzen zehn Kniebeugen und nach dem Zähneputzen zehn Liegestütze an der Wand oder am Waschbecken. Der Zeitaufwand dafür beträgt zwei- bis dreimal täglich rund eine Minute.

Trotz ausreichend Bewegung gibt es nichtbeeinflussbare Risikofaktoren für Herzkrankheiten, etwa unser Alter, das Geschlecht und die genetische Vorbelastung. Generell sollte jeder im Alter ab 35 Jahren regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen, um frühzeitig Risikokrankheiten aufzudecken. (red, 29.9.2018)