Ermittler am Tatort in Georgensgmünd, Bayern.

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Berlin – Die Zahl der Todesopfer rechtsmotivierter Gewalt seit der Wiedervereinigung Deutschlands ist Medien zufolge deutlich höher als offiziell gemeldet. Recherchen des "Tagesspiegels" und von "Zeit Online" ergaben, dass seit 1990 in Deutschland mindestens 169 Menschen von Neonazis und anderen Tätern mit extrem rechten Einstellungen getötet wurden, wie die Zeitungen am Donnerstag berichtete.

Bei weiteren 61 Todesopfern gebe es zumindest starke Indizien, dass es sich um rechtsmotivierte Gewalttaten handelte. Die deutsche Regierung hatte im Juni in der Antwort auf eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und ihrer Linksfraktion von 83 Toten seit der Wiedervereinigung gesprochen.

Der "Tagesspiegel" betreibt seit dem Jahr 2000 eine Langzeitrecherche zu Todesopfern rechtsmotivierter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Mehrere deutsche Bundesländer reagierten den Angaben zufolge darauf und überprüften erneut Fälle aus der Vergangenheit.

NSU-Morde falsch eingestuft

Zahlreiche Altfälle, die die Polizei zunächst als unpolitisch eingestuft hatte, wurden demnach für die offizielle Statistik nachgemeldet. Nach dem Auffliegen der Terrorgruppe NSU haben zum Beispiel Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin ihre Fälle systematisch untersucht und insgesamt 18 Taten mit 19 Toten nachträglich als rechtsmotivierte Kriminalität eingestuft.

Trotz mehrerer Reformen der offiziellen Zählmethodik gibt es dem Bericht zufolge nach wie vor zahlreiche Diskrepanzen. So meldete die Regierung für die vergangenen drei Jahre ein Todesopfer rechtsmotivierter Gewalt – den Polizisten Daniel E., der 2016 im bayerischen Georgensgmünd von einem Anhänger der sogenannten Reichsbürgerszene erschossen wurde. Tatsächlich jedoch sind laut "Tagesspiegel" und "Zeit Online" seit 2015 mindestens elf weitere Menschen durch rechtsmotivierte Gewalt gestorben. (APA, AFP, 27.9.2018)