Kein anderer Mond im Sonnensystem zieht so enge Kreise um seinen Planeten wie Phobos.
Foto: G. Neukum (FU Berlin) et al., Mars Express, DLR, ESA; Acknowledgement: Peter Masek

Washington – Als "himmelschreiende Unzulänglichkeit" bezeichnet der Planetenforscher Marc Fries von der Nasa, dass wir nicht wissen, wie unser Nachbar im Sonnensystem, der Mars, zu seinen zwei Monden gekommen ist. Tatsächlich ist die Debatte darüber Jahrzehnte alt und läuft im Wesentlichen auf zwei einander ausschließende Hypothesen hinaus: Entweder hat der Mars irgendwann vorbeiziehende Asteroiden eingefangen, oder es gab einen Einschlag eines größeren Objekts, das kleine Teile des Roten Planeten selbst ins All gesprengt hat.

Die Mini-Monde des Mars

Beeindruckend sind die Marsmonde Phobos und Deimos nicht – zumindest wenn man einen so unverhältnismäßig riesigen Trabanten wie den Erdmond für normal hält. Der unregelmäßig geformte Phobos misst 26,8 x 22,4 x 18,4 Kilometer, beim kleineren Deimos sind es gar nur 15,0 x 12,2 x 10,4. Von Form und Größe her könnten die beiden Mini-Monde gut Asteroiden sein. Auch ihre dunkle Oberfläche könnte dafür sprechen, sie ähnelt in spektrographischen Analysen der von sogenannten D-Asteroiden, die aus Silikaten mit hohem Kohlenstoffanteil bestehen.

Gegen die Asteroiden-Hypothese sprechen laut Astronomen Achsneigung und Bahnen der beiden Monde – wobei Phobos noch den Rekord für sich verbuchen kann, dass er mit etwa 6.000 Kilometer Abstand so nahe um seinen Planeten kreist wie kein anderer Mond im Sonnensystem.

Gesteinsproben im Vergleich

Der Geowissenschafter Tim Glotch von der Stony Brook University in New York hat nun auf Daten der Sonde Mars Global Surveyor zurückgegriffen, um das Rätsel der Marsmonde – oder zumindest das von Phobos – zu lösen. Die Daten sind eigentlich schon 20 Jahre alt, wurden laut Glotch bislang aber nicht ausreichend genutzt. Sie stammen von einem "Seitenblick", den die Sonde, die ansonsten ganz auf die Oberfläche des Mars konzentriert war, 1998 auf Phobos warf.

Die spektrografischen Analysen von damals verglich der Forscher nun mit solchen, die er selbst im Labor durchführte. Dazu verwendete er ein Fragment eines D-Asteroiden, das als Meteorit im kanadischen Tagish Lake gefunden worden war, sowie verschiedene andere Gesteinsproben. Diese wurden Vakuumbedingungen, Weltraumkälte und großer Hitze ausgesetzt, um die extremen Temperaturwechsel auf den Mondoberflächen zu simulieren.

Und anders als bei den meisten spektrografischen Analysen fokussierte Glotch nicht auf die Bereiche des sichtbaren Lichts und des nahen Infrarots, sondern auf das mittlere Infrarot mit größeren Wellenlängen. In diesem Bereich sah Phobos den D-Asteroiden plötzlich gar nicht mehr ähnlich, berichtet der Forscher. Die größte Ähnlichkeit zeigte sich nun zu Basalt respektive Gestein, das durch Prozesse wie Vulkanausbrüche an die Oberfläche gelangt.

Und es ward ein Mond

Basalte sind einer der Hauptbestandteile der Erdkruste, und das gleiche gilt laut Glotch auch für den Mars. Seine Folgerung: Phobos besteht aus Stücken vom Mars, die irgendwann – vermutlich in der Frühzeit des Planeten – durch den Einschlag eines massiven Objekts abgesprengt wurden. Diese hätten sich schließlich zu einem kompakten Mond verdichtet, in den möglicherweise auch Material des Einschlagsobjekts eingeflossen ist.

Diese Mondbildung könnte übrigens kein einmaliger Vorgang gewesen sein: Im vergangenen Jahr stellten US-Forscher ihre Hypothese vor, der zufolge der heutige Phobos die dritte bis siebente Ausgabe eines Mondes sein könnte, der durch die vom Mars ausgelösten Gezeitenkräfte immer wieder zerbrochen ist, kurzfristig einen Ring gebildet hat und sich danach wieder zu einem kompakten Objekt zusammengepresst hat.

Keine endgültige Antwort

Fries indes sieht das Rätsel von Phobos durch Glotchs Versuche noch nicht gelöst: Der NASA-Forscher stellt in Frage, ob der für den Vergleich herangezogene Meteorit von Tagish Lake typisch genug für D-Asteroiden ist, um eine solche Herkunft von Phobos auszuschließen. Außerdem könnten in Laborexperimenten nur schwer die Prozesse der Weltraumverwitterung nachgestellt werden, denen Objekte im All ausgesetzt sind – etwa durch eintreffende kosmische Strahlung oder die Einschläge von Mikrometeoriten. Solche Prozesse beeinflussen aber stark, wie sich die Oberfläche eines Objekts spektrographisch präsentiert.

Weitere Aufschlüsse – und möglicherweise eine eindeutigere Antwort auf die Frage nach Phobos' Herkunft – erhoffen sich die beiden Forscher von einer neuen japanischen Weltraummission. Derzeit macht die japanische Weltraumagentur JAXA mit ihrer Sonde Hayabusa 2 Schlagzeilen, die Proben vom Asteroiden Ryugu sammelt und in zwei Jahren zur Erde zurückbringen soll. Eine vergleichbare Mission soll später auch zu Phobos geschickt werden. Der Start ist für 2024 geplant. (jdo, 1.10.2018)