Hat das Innenministerium die Möglichkeit, über redaktionelle Inhalte einer Fernsehsendung zu bestimmen? Die Mail aus dem Büro von Innenminister Herbert Kickl über die für Jänner 2019 geplante Reportagereihe Polizeieinsatz live lässt dergleichen vermuten: "Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung", heißt es dort. "Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können."

"Die redaktionelle Ausgestaltung der einzelnen Folgen obliegt selbstverständlich dem Fernsehsender ATV", ist das Innenministerium Dienstagnachmittag um Schadensbegrenzung bemüht. Schon zuvor wies ATV solche Kooperationen zurück: Wie bei allen Produktionen liege "die redaktionelle Hoheit ausschließlich bei ATV".

Polizeieinsatz live und möglichst real will ATV ab Jänner 2019 abbilden – ohne Einflussnahme des Innenministeriums, wie der Sender betont.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Der Sender betont, aus rein rechtlichen Gründen sei "ein geordneter Ablauf mit der Polizei einzuhalten". Daran werde sich "nichts ändern, auch wenn es womöglich Mitarbeiter des Innenministeriums vielleicht gerne anders gestaltet hätten. Im Falle eines versuchten redaktionellen Eingriffs würde ATV die Produktion einstellen."

Keine Diskussionen

Eine Absage erteilt der Sender auch Spekulationen, wonach unmittelbar nach den einzelnen Ausgaben Diskussionen stattfinden sollen, bei denen das Innenministerium Thema und Gäste bestimmen darf: Eine solche Sendung sei nicht geplant, heißt es auf Anfrage.

Im Polizeijargon gesprochen steht damit Aussage gegen Aussage. Die Kommunikationswissenschafterin Julia Wippersberg empfiehlt in jedem Fall "Absendertransparenz", um eine klare Trennung von journalistischen und PR-Inhalten auszuweisen. Die Obfrau des PR-Fachverbands hält "gesteuerte professionelle Kommunikationsarbeit mit dem Ziel, Vertrauen aufzubauen, indem man sich eines Unterhaltungsformats bedient", grundsätzlich für einen gangbaren Weg, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass "im Sinne der Offenheit gesagt wird, wer mitwirkt".

Unschuldsvermutung

Gelegenheit zur Einflussnahme hätten vor Innenminister Herbert Kickl schon mehrere Regierungen gehabt. ATV produziert seit 13 Jahren Reportageformate über den Alltag von Polizeibeamten. Dass es in der Zeit jemals Versuche gegeben hätte, Inhalte zu bestimmen, ist nicht bekannt.

Seit 2005 begleitet ATV in TV-Sendungen die Arbeit der Polizei, hier etwa in "24 Stunden – Polizei im Hubschraubereinsatz".
Foto: ATV

Für Medienwissenschafter Matthias Karmasin gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung: "Im Prinzip spricht nichts gegen eine solche Sendung", sagt Karmasin. Er verweist sowohl auf die rechtliche als auch auf die ethische Dimension: Der Gesetzgeber schreibt die klare Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten vor – was im Fall der Polizeireportagen wohl nur schwer umsetzbar ist. Also sei es an der Redaktion, "ihre redaktionelle Autonomie zu wahren".

Generalpräventiver Effekt

Generell zu verurteilen seien Unterhaltungsformate über die Polizeiarbeit jedenfalls nicht, sagt Karmasin: "Wenn es Leute davon abhält, schneller Auto zu fahren, hat eine solche Sendung einen generalpräventiven Effekt. Wenn sich Zuschauer aber nachher fürchten, durch den Beserlpark zu gehen, ist das sicher ein Problem."

Große Sorgen müsste sich das Innenministerium um das im Unterhaltungsfernsehen vermittelte Bild seiner Polizisten ohnehin nicht machen. Keinen Kratzer kriegt das Beamtenimage etwa in der ORF-Qualitätsserie Cop-Stories ab. Es geht um den Alltag einer fiktionalen Ottakringer Polizeieinheit mit allen erdenklichen beruflichen und privaten Verwerfungen. Um die Geschichten möglichst nahe an der Realität zu erzählen, lässt sich das Team von erfahrenen Polizeibeamten beraten.

Solche Kooperationen gibt es auch bei anderen Krimiserien, etwa bei Soko Donau im ORF. Dafür bekommt dann der eine oder andere Polizeibeamte auch einen Gastauftritt. (Doris Priesching, 25.9.2018)