Was aus dem Protokoll der Vernehmung von Max Zirngast beim Staatsanwalt in Ankara bisher bekannt wurde, liest sich wie ein Klassiker des zeitgenössischen türkischen Gerichtsbetriebs: zusammengestoppelte, an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe, die die Intelligenz herausfordern. Man kennt das aus dem Prozess gegen die Journalisten von "Cumhuriyet" oder aus der Anklageschrift gegen Deniz Yüzel, den "Welt"-Korrespondenten.

Die türkischen Angeklagten sind dieser Politjustiz ausgeliefert, Leute wie die deutschen Staatsbürger Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner entkommen dieser Farce nach einiger Zeit. Auch der Fall des jungen Österreichers Zirngast wird sich nach der Erfahrung der vergangenen Jahre wohl auf diese Weise auflösen. Mit einem Prozess wegen angeblicher Unterstützung einer Terrororganisation wird sich die Justiz in Ankara vor aller Welt blamieren. Denn was hat sie als Belege vorzuweisen? Bücher aus der Unibibliothek über einen verstorbenen linken türkischen Politiker; Max Zirngasts Teilnahme an politischen Veranstaltungen, die annonciert und offen zugänglich waren; einen Beitrag schließlich in einem Sammelband eines türkischen Historikers über Kobane, die Grenzstadt im Norden Syriens, wo sich Kurden und Islamischer Staat gegenüberstanden. Alles brandgefährliche Aktivitäten?

Die Frage ist, wie Wien am besten mit diesem neuen Fall einer politischen Geiselnahme in der Türkei umgeht. Auf Druck reagiert die politische Führung in Ankara – sofern man ihr einen gesichtswahrenden Ausgang lässt. Reisewarnungen zu erhöhen und österreichische Touristen vom Urlaub in der Türkei abzuschrecken wird nicht viel hergeben. Die Zahl der Touristen ist zu klein. Aber Österreich kann sich jetzt als Ratspräsident und vor den Europawahlen 2019 noch mehr für ein Aussetzen der Beitrittsverhandlungen stark machen.(Markus Bernath, 21.9.2018)