Das Filmfestival auf der Wiener Ottakringer Straße erzählt Geschichten eines modernen Europa, wie auch Danis Tanovics "Death in Sarajevo".

Foto: Match Factory

Wien – In der Schule wurde im Englischunterricht der traditionelle Begriff des Melting Pot gerne am Beispiel New York City Länge mal Breite diskutiert, alternativ dazu die Formulierung Salad-Bowl. Es muss nicht gleich NYC sein, um vorzuführen, was eine Mischung an Herkunftsländern, Sprachen und Hintergründen bewirken kann – es reicht durchaus, die Wiener Ottakringer Straße als Beispiel herzunehmen, auch bekannt als Balkanmeile.

Ein kleines und feines Filmfestival hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Balkan und seine Lebenswelten abseits floskelhafter Begriffe wie Brennpunkt und Pulverfass im 16. Wiener Gemeindebezirk aufleben zu lassen: Nächste Woche zeigt die zweite Balkanale an vier Örtlichkeiten, die eher aus dem Nachtleben bekannt sind (Ottakringer Brauerei, Kunstcafé Au, Café Bar Laby und Club Eisberg), Filme aus der kroatisch-bosnisch-serbischen Region.

SIFF News

Der Eröffnungsfilm Death in Sarajevo von Danis Tanovic lief im Wettbewerb der 66. Berlinale und gewann den Jurypreis. Das Kammerspiel in den verschiedenen Stockwerken eines Hotels erzählt zwischen Keller und Dachgeschoß diverse Geschichten zum 100-Jahre-Jubiläum des Attentats auf den Kronprinzen. Tanovic gestaltet aus Zuschreibungen von Korruption, Gewalt und Verzweiflung ein aufgeladenes Drama, eine Allegorie des modernen Europa.

Vielfältiges Programm

Die serbische Komödie Next to me von Stevan Filipovic hat eine Schullehrerin zur Protagonistin, deren Klasse aus einem bunten Haufen handyfixierter Teenager besteht, denen sie ihre liberalen Werte beizubringen versucht. Rajko Grlic betrachtet in The Constitution differenziert vier ältere Menschen, die im selben Gebäude in Zagreb leben, sich aber erst durch Unfälle und Zufälle trotz unterschiedlicher Herkünfte, Lebensentwürfe und sexueller Orientierung näherkommen.

Kinogerila

Das junge Team um den Architekturstudenten Josip Dusper und seine Kollegin Anna Lehner hat ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt: Neben zwei Kurzfilmprogrammen zeigt die Balkanale genreübergreifend den Horrorfilm Exorcism von Dalibor Matanic sowie die Komödie Comic Sans von Nevio Marasovic über einen Grafikdesigner, der in der Liebe versagt – beide aus Kroatien. Lada Kamenski von Sara Hribar porträtiert drei Schauspielerinnen, die im Wettstreit um eine Filmrolle vergessen lassen, was Spiel und was echt ist.

Nevio Marasovic

Am Freitagabend wird bei der Abschlussparty zu Balkanpop getanzt, und der Nachhauseweg über die Ottakringer Straße ist danach vielleicht ähnlich spannend wie der über den Broadway. (Lili Hering, 22.9.2018)