In Südtirol wird ein sozialer Wohnbau bei voller Belegung energetisch saniert – ein Meilenstein im Beton- und Gasland Italien.

Foto: Alexa Rainer

Dazu kommt: Beim Neubau in den 1990er-Jahren wurden viele Fehler gemacht, die jetzt wieder ausgebügelt werden müssen.

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Etwa die Lage der Fenster ist ein Problem, sie sind pro Stock nicht alle auf einer Höhe gesetzt.

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Es regnet in Strömen, am Himmel hängen dicke Wolken, der Blick ins Tal zeigt ein diesiges Bozen, die Berge in der Ferne sind nur schemenhaft hinter Nebelschwaden zu erkennen. Die Südtiroler Landeshauptstadt liegt in einem Talkessel, der auf drei Seiten von hohen Bergketten umschlossen wird. Auf einer davon liegt die Passeggiata dei Castani, zu Deutsch der Köstenweg. Seit Sommer 2017 wird an der Adresse ein sozialer Wohnbau mit 72 Wohnungen saniert, und zwar energetisch nachhaltig.

Ein Projekt mit vielen Herausforderungen, wie die Architekten Manuel Benedikter und Gerhard Kopeinig bei einem Rundgang auf der Baustelle erklären. Zum Beispiel: Das Haus ist voll bewohnt, während die Arbeiten durchgeführt werden. "Das Gerüst steht relativ lange", sagt Kopeinig. Bis Ende 2018 sollen die Bauarbeiten noch andauern.

Sonne im TV

Auch die Eingriffe in die Wohnungen sind nicht gerade gering. So wird in jeder ein kontrolliertes Einzellüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung installiert. Eine Lüftung in die Fassade zu integrieren wäre zwar einfacher, so die Architekten. "Durch Ungenauigkeiten im Bau sind die Fenster jedoch nicht alle auf einer Höhe."

Dazu kommt, dass durch die Lage auf dem Berg die Besonnungswerte extrem schlecht sind, was eine ökologische Energieversorgung zusätzlich erschwert. "Im Winter sehen die Bewohner die Sonne höchstens im Fernsehen", sagt Ulrich Klammsteiner ironisch. Er arbeitet bei Klimahaus, der Agentur für Energie in Südtirol.

Energieaufwand reduzieren

Weg von fossilen Brennstoffen, das heißt am Köstenweg: 72 Gasthermen werden durch eine gemeinsame Zentralheizung ersetzt. "Für die Bewohner war es nicht einfach, auf ihr geliebtes Gaskochfeld zu verzichten", sagt Architekt Benedikter.

Den Energieaufwand auf das Notwendigste zu reduzieren war für die Architekten eine Herausforderung, auch weil durch die Hanglage der Komplex schwer zu vermessen war. "Wir haben bestimmt 15 Varianten simuliert", sagt Kopeinig. Am Ende durchgesetzt haben sich vorgefertigte Holzelemente an der Fassade, Tiefenbohrungen für eine Wärmepumpenanlage kombiniert mit Fotovoltaik. "Für das Gas- und Betonland Italien ist das ein Meilenstein", sagt Kopeinig.

Insgesamt hat die Planung der Sanierung eineinhalb Jahre gedauert. Das Haus am Köstenweg ist Teil von Sinfonia, einem europäischen Projekt, das durch nachhaltige Sanierungen von Gebäuden im Besitz der öffentlichen Hand die CO2-Emissionen senken will. In Bozen gehören fünf weitere Sanierungen dazu.

Ein weiterer Projektpartner am Köstenweg ist Klimahaus (Casa Clima) – ein Zertifizierungsstandard, der in Südtirol verpflichtend ist und im Rest Italiens als Qualitätssiegel verwendet wird. Die dafür zuständige Klimahaus-Agentur ist in die Planung involviert und kontrolliert auf der Baustelle, ob die von den Planern vorgelegten Berechnungen zum Heizenergiebedarf auch umgesetzt werden, erklärt Benedikter.

Strenge Vorgaben

Die Ansprüche sind hoch, die Vorgaben streng. Man könnte meinen, Italien will damit die Versäumnisse der Vergangenheit wiedergutmachen. Solche gibt es auch am Köstenweg. Denn auf den ersten Blick scheint der Bau aus den 1970er-Jahren zu stammen. Doch die Architekten erzählen: Der Wohnkomplex wurde erst Ende der 1990er-Jahre fertiggestellt. "Trotzdem ist der Zustand des Gebäudes sehr schlecht", sagt Benedikter. Während der Bauphase habe es gleich zwei Konkurse gegeben, berichten die Architekten. Eine Tatsache, die die Sanierung erschwert. Benedikter erzählt aus der Planungsphase: "In fünf unbewohnten Wohnungen haben wir Wände aufgemacht, Fenster ausgebaut und uns die Ausgangslage angesehen. Wir dachten, wir hätten das Haus im Griff." Nach Start der Bauarbeiten habe sich dann schnell herausgestellt, dass an anderen Stellen des Gebäudes die Bausubstanz eine ganz andere ist. "Für uns war auch nicht nachvollziehbar, warum damals mit so großen Unterschieden gearbeitet wurde", so die Architekten.

Das sanierte Haus soll nun weit länger halten. "Die Fassade ist langlebig", so Benedikter. Und für danach gibt es auch schon Optionen: "Die vorgefertigten Paneele sind ein Trockenbau, können also wieder auseinandergeschraubt, getrennt entsorgt werden und sind im Lebenszyklus abbaubar."

Am Ende belaufen sich die Kosten für die Sanierung auf 5,3 Millionen Euro, schätzt Benedikter. "Pro Wohnung gibt die Gemeinde Bozen etwa 70.000 Euro aus, das ist ein Haufen Geld." Eine Investition, die langfristig Vorteile bringen soll, wirken sich doch die Wohnverhältnisse auch wesentlich auf das Wohlbefinden der Bewohner aus, sagt Klammsteiner. Diese bezahlen übrigens zwischen 50 und 250 Euro Miete im Monat für ihre Sozialwohnungen. (Bernadette Redl, 23.9.2018)