Er steht ziemlich alleine da. Nachdem der kosovarische Präsident Hashim Thaçi in einem offenen Brief nochmals die Idee eines Gebietsaustauschs mit Serbien bekräftigt hat, wandten sich zum wiederholten Male Politiker der Regierung und der Opposition dagegen. Der Führer der Partei Vetevendosje, Albin Kurti, kündigte für den 29. September Demonstrationen in der Hauptstadt Prishtina an. Premierminister Ramush Haradinaj wiederholte, dass sich durch Grenzänderungen die Tragödien der Vergangenheit wiederholen könnten.

Thaçi will, dass der Nordkosovo oder zumindest Teile des Gebiets jenseits des Ibar an Serbien gehen und dass im Gegenzug dazu das Preševo-Tal in Südserbien, wo viele Albaner leben, an den Kosovo angeschlossen wird. Auch in der eigenen Partei PDK findet die Idee aber wenig Anklang, auch der Parlamentssprecher und stellvertretende PDK-Chef Kadri Veseli ist ganz dagegen. Einer der wenigen, die den Plan unterstützen, ist der ehemalige Außenminister Petrit Selimi. Aus Serbien ist zu dem Thema praktisch nichts zu hören.

Druck auf serbisches Sicherheitspersonal

Interessant ist aber, dass in jüngster Zeit eine ziemlich große Anzahl von serbischen Mitgliedern der Kosovarischen Sicherheitskräfte (KSF) – militärisch geschultes Personal – ihre Posten aufgegeben hat. Das berichtet das Kosovarische Zentrum für Sicherheitsstudien (KCSS). Demnach soll die serbische Regierung starken Druck auf diese öffentlich Bediensteten ausgeübt haben, sich aus den Sicherheitskräften zurückzuziehen. Es soll sich um etwa 60 Personen handeln. Serbische Nachrichtendienste sollen in die Operation involviert gewesen sein.

Thaçi hatte argumentiert, dass der Gebietsaustausch auf Wunsch Serbiens erfolgen solle, weil Serbien den Kosovo nur anerkennen würde, wenn der Nordkosovo offiziell als Teil Serbiens deklariert wird. In Serbien gab es in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder Politiker – insbesondere den prorussischen Außenminister Ivica Dačić –, die sich für eine Teilung des Kosovo in diesem Sinne aussprachen. Die im Nordkosovo lebenden Serben verstehen den Nordkosovo als Teil Serbiens, wenngleich in den vergangenen Jahren wichtige Institutionen wie etwa das Justizsystem in die kosovarischen Strukturen integriert wurden.

Fehlende Rechtsstaatlichkeit

Allerdings arbeiten die kosovarischen Gerichte im Nordkosovo nur sehr langsam – viele Fälle werden nicht abgewickelt. Es mangelt an Übersetzern und Unterstützung durch das Justizministerium in Prishtina. Die Bürger leiden unter der fehlenden Rechtsstaatlichkeit im Norden. Manche öffentlich Bedienstete im Nordkosovo stehen sowohl auf der serbischen als auch auf der kosovarischen Gehaltsliste.

Von den Hauswänden in Nordmitrovica nördlich des Ibar, wo hauptsächlich Serben leben, blickt Wladimir Putin, als wäre er der entscheidende Faktor. Auf den Mauern ist aber auch ein schwarzer Graffiti-Druck eines anderen Politikers zu sehen: Oliver Ivanović wurde im Jänner aus einem Auto heraus mit zahlreichen Schüssen aus Maschinenpistolen exekutiert. Sein Antlitz ist wie eine Warnung: Wir vergessen nicht, was ihr getan habt.

Das Graffiti ist eine Erinnerung daran, wofür er stand: Ivanović war unabhängig von Belgrad, unabhängig von Vučić. Seit dem Krieg ist Mitrovica praktisch geteilt in einen mehrheitlich albanischen Süden und einen mehrheitlich serbischen Norden. Ivanović setzte sich für das Zusammenleben aller ein: Serben, Albaner, Bosniaken, Roma. Er sprach offen von der Mafia, die den Norden kontrolliert und die Leute tyrannisiert. Unter dem Graffiti ist nur sein Name zu lesen: Oliver. Es ist fast so, als ob der tote Oliver so noch immer sprechen würde.

"Das ist serbisches Land"

Seine Ermordung hat das Misstrauen gegen Belgrad im Nordkosovo verstärkt. Die jungen Männer, die neben dem Kreisverkehr stehen, wo die Autos die riesige Statue von König Lazar umfahren, sind enttäuscht, aber gleichzeitig wollen sie sich auch nicht mehr täuschen lassen. "Alle wissen, dass die Mörder von Oliver von oben aus Serbien gekommen sind", sagt der 23-jährige Saša M.

Die drei Männer fänden es am besten, wenn der ganze Kosovo wieder ein Teil Serbiens würde. "Das ist serbisches Land", sagt Mladen S. "Aber uns ist es auch egal, wenn die Grenze durch Mitrovica verläuft und wenn es unten am Ibar Kontrollen gibt, denn für uns ändert das nichts." – "Nur, was ist dann mit den Serben aus dem Süden?", wirft Dražen R. ein – blonde Haare, kurze Jeans und ein freundliches Lachen. Er ist der älteste der drei. "Für die Serben im Süden ist die Grenzänderung schlecht, denn sie wären dann von uns hier komplett abgeschnitten."

Sorge um Serben im Südkosovo

Auch Miodrag Milićević, der sich seit vielen Jahren in der NGO Aktiv für die Aussöhnung von Albanern und Serben einsetzt, ist "tief besorgt" über die Konsequenzen für die Serben im Südkosovo, wo die meisten von ihnen leben. "Wenn der Kosovo geteilt wird und der Norden zu Serbien kommt, was wird dann ihr Status sein? Wer wird ihre Rechte im Parlament, ihre Vetorechte, ihre Sprachenrechte garantieren?", fragt er.

Milićević arbeitet dafür, dass die Vereinbarungen zwischen dem Kosovo und Serbien endlich umgesetzt werden, etwa der Zugang zu Bildung, die Ausstellung von Dokumenten für Serben. "Wieso soll man jetzt im 21. Jahrhundert über Bevölkerungsaustausch sprechen? Und wieso geben wir ein multiethnisches Land auf?", fragt er. Milićević fordert vor allem, dass endlich der Plan zu diesem Thema auf den Tisch gelegt wird, denn bislang wird seit Wochen über Grenzänderungen diskutiert, ohne dass die Betroffenen überhaupt wissen, wo diese genau verlaufen sollten. (Adelheid Wölfl, 21.9.2018)