Mehr Dampf im Klassenkampf!

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Die SPÖ wird in den nächsten Wochen einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende bestimmen, so lautet die Faktenlage nüchtern. Diese Neuwahl muss jedoch als Chance begriffen werden. Fünf Punkte für eine starke SPÖ:

1. Direktwahl einführen und Parteireform umsetzen

Ein glaubwürdiges Zeichen für Erneuerung wäre die Direktwahl des oder der neuen Vorsitzenden. Es muss – vor allem in Anbetracht aktueller Ereignisse – Schluss sein mit Entscheidungen, die im stillen Kämmerchen getroffen werden. Die Mehrheit unserer europäischen Schwesterparteien macht es uns vor: Binden wir die SPÖ-Basis bei dieser wichtigen Entscheidung ein! Dadurch entsteht nicht nur die größtmögliche Legitimation für den neuen Parteivorsitz, es findet auch eine Aufwertung der SPÖ-Mitgliedschaft statt, und neue Mitglieder können geworben werden.

Klar muss auch sein, dass egal wer den Parteivorsitz übernimmt, die ausverhandelte Parteireform beschlossen werden muss. Diese wurde über Jahre verhandelt und sogar erstmals durch eine Befragung aller Mitglieder bestätigt. Die Ergebnisse der Befragung und die Meinung der Mitglieder dürfen nicht übergangen werden und müssen somit im Statut verankert werden.

2. Soziale Frage stellen und die Partei dahinter einen

Die türkis-blaue Bundesregierung betreibt Umverteilung von unten nach oben. Von denen, die weniger haben, hin zu denen, die schon zu viel haben. Während die Gewinnsteuer für Unternehmen gesenkt werden soll, wird auf die Schwachen hingetreten: Verschlechterungen bei der Absicherung von Arbeitslosen, schlechtere Versicherungsleistungen im Gesundheitswesen oder generell die Vorstellung, "man könne von 150 Euro im Monat" leben. Doch genau in diesen Fragen zieht die SPÖ an einem Strang, und genau in dieser Frage müssen wir unsere Kräfte bündeln. Deshalb ist es notwendig, die soziale Frage zu stellen und sich dahinter zu versammeln. Nicht bei Personaldebatten, sondern im Widerstand gegen Sozialkürzungen muss die SPÖ ihre Schlagkraft zeigen.

3. Arbeitskampf: Mehr Dampf im Klassenkampf!

Die Bundesregierung setzt einen Angriff auf die Rechte von arbeitenden Menschen nach dem anderen und setzt willentlich den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Sozialpartnerschaft aufs Spiel. Als Sozialdemokratie muss es uns das oberste Anliegen sein, beim heißen Herbst der Gewerkschaft für noch mehr Hitze zu sorgen und uns nicht nur solidarisch, sondern kampfbereit zu zeigen. Der Zwölfstundentag war ein Schlag ins Gesicht der breiten Bevölkerung, und mit dieser Ungerechtigkeit dürfen wir uns nicht abfinden. Ganz im Gegenteil muss die Sozialdemokratie nun verstärkt für einen Mindestlohn von 1.700 Euro kämpfen und dort, wo Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen in der Entscheidung stehen, den Mindestlohn von 1.700 Euro auch umsetzen.

4. Grundwerte leben!

Als Sozialdemokratie müssen wir in den nächsten Monaten bedingungslos zu unseren Grundwerten stehen, Profil gewinnen und klar kommunizieren. Die aktuelle Unzufriedenheit der Menschen wird von rechten Parteien gegen verschiedenste Feindbilder gelenkt: Flüchtlinge, Arbeitslose, den Staat oder das Arbeitsrecht. Diese Diskussionen zu befeuern kostet Glaubwürdigkeit und ist inhaltlich falsch. Die SPÖ wird erfolgreich sein, wenn sie den wahren Grund für die Probleme benennt: ein Wirtschaftssystem, das tagtäglich Ungleichheit produziert. In unserer kapitalistischen Weltordnung konzentriert sich wirtschaftliche wie politische Macht in den Händen einiger weniger, und der erwirtschaftete Profit kommt bei den Menschen nicht an. Wir müssen für ein Wirtschaftssystem kämpfen, das Wohlstand fair verteilt und ein Leben in Würde und Respekt für uns alle garantiert. Die SPÖ darf nicht die Pflegeschwester am Krankenbett des Kapitalismus sein, sie muss seine Totengräberin werden.

5. Vom System zur Alternative werden

Die Sozialdemokratie darf nicht länger Erhalterin des Status quo sein, sondern muss sowohl in ihren Inhalten als auch als Partei eine Alternative bieten. Ein erster wichtiger Schritt dazu findet sich in der Organisationsreform: Das Anhäufen von Ämtern und Mandaten von Einzelpersonen in der SPÖ soll eingeschränkt werden, und Mehrfachbezüge sollen durch höhere Solidaritätsabgaben zurückgedrängt werden. Wir müssen diese Diskussion über Privilegien fortsetzen, nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern auch bei Managern, Managerinnen, Millionären und Millionärinnen. Die SPÖ war nie die Partei der Eliten oder Mächtigen, dieses Identitätsmerkmal müssen wir wieder glaubwürdig und stolz vor uns hertragen.

Zusammenfassend gilt: Wenn es uns gelingt, die Debatten der nächsten Wochen auf eine inhaltliche Ebene zu bringen und von reinen Personaldebatten abzusehen, können wir als SPÖ Themen setzen und eine Alternative zu Türkis-Blau zeichnen. Wenn es uns gelingt, die bevorstehende Vorsitzwahl nach klaren Kriterien abzuhalten und zu öffnen, erleben wir einen authentischen Neustart und können Mitglieder gewinnen. Wenn es uns gelingt, alle SPÖ-Strukturen im Kampf um den Sozialstaat zu bündeln, dann wird der Herbst tatsächlich heiß! (Julia Herr, 21.9.2018)