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Sein größtes Manko: Haddad ist nicht einmal in den Lula-Hochburgen bekannt.

Foto: AP/Andre Penner

"Fernando … wer?", fragen zurzeit viele seiner Landsleute, wenn sie den Namen des neuen Präsidentschaftskandidaten von Brasiliens linker Arbeiterpartei hören. Kein Wunder: Der 55-jährige Politologe Fernando Haddad war in seinem Leben bisher eher in Hörsälen und Seminarräumen als in der Politik zu Hause.

Jetzt ist er plötzlich Hoffnungsträger der brasilianischen Linken und soll ihr Abrutschen in die politische Bedeutungslosigkeit verhindern. Dabei ist Haddad Präsidentschaftskandidat wider Willen – als Vize eingesprungen für den inhaftierten Inácio Lula da Silva.

Sein größtes Manko: Haddad ist nicht einmal in den Lula-Hochburgen bekannt. Vor allem die Wähler im armen Nordosten Brasiliens können mit dem Uni-Dozenten, der zu Marx und Habermas promoviert hat, wenig anfangen. Dem Sohn libanesischer Einwanderer fehlt das Image des Volkstribuns, das sein politischer Ziehvater zelebrierte. Bei seinen Wahlkampfauftritten präsentiert sich Haddad deshalb als Stellvertreter: "Wir sind Millionen von Lulas!"

Keine Notlösung

Dabei ist Haddad alles andere als eine Notlösung. Als Bildungsminister (2005 bis 2012) in der Regierung Lulas und von Dilma Rousseff hat er ein breites Stipendienprogramm aufgelegt, um auch Kindern aus ärmeren Familien ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Er brach damit mit dem elitären Status, den viele Universitäten pflegten. Auch als Bürgermeister der Millionenmetropole São Paulo setzte er sich mit seiner Idee einer fahrradfreundlichen Stadt durch, die selbst in den eigenen Reihen als "typisch intellektuell" abgetan wurde.

Er ließ mehr als 400 Kilometer Fahrradwege konstruieren und baute gleichzeitig den öffentlichen Nahverkehr aus. Im Ausland wurde er dafür als Visionär gefeiert.

Spielt öffentlich E-Gitarre

Haddad gab sich volksnah, fuhr mit dem Fahrrad oder dem Bus zur Arbeit und spielte öffentlich E-Gitarre. Das Image des Bohemiens wurde er dadurch nicht los. Als Ergebnis verbockte er vor zwei Jahren seine Wiederwahl in der landesweit wichtigsten Großstadt.

Doch auch wenn Haddad in Umfragen zurzeit unter 20 Prozent der Stimmen liegt, könnte der Coup gelingen. Entscheidend ist, ob er es schafft, in den verbleibenden drei Wochen bis zur Wahl einen möglichst großen Teil von Lulas Sympathisanten zu sich zu holen. Der Ex-Präsident führte die Umfragen mit 39 Prozent an. Am Ende könnte der geschasste Bürgermeister von São Paulo im Präsidentenpalast triumphieren. (Susann Kreutzmann, 21.9.2018)