Tania Munz, "Der Tanz der Bienen. Karl von Frisch und die Entdeckung der Bienensprache". Aus dem Englischen von Barbara Sternthal. 360 Seiten, 27 Euro. Czernin Verlag, Wien 2018

Czernin Verlag

Er war gemeinsam mit Konrad Lorenz Österreichs bislang letzter Nobelpreisträger in den Naturwissenschaften. Das ist auch schon wieder 45 Jahre her, und während Konrad Lorenz nicht zuletzt wegen seiner NS-Vergangenheit immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit erhält, ist Karl von Frisch (1886–1982) im Vergleich dazu fast ein wenig vergessen.

Entsprechend gab es bis vor wenigen Tagen nur eine einzige halbwegs brauchbare Darstellung von Leben und Werk dieses beeindruckenden Wissenschafters auf Deutsch. Diese Lücke der österreichischen Biologiegeschichte hat nun eine US-Wissenschaftshistorikerin geschlossen: Tania Munz mit ihrem Buch "Der Tanz der Bienen", das sowohl eine Biografie des Bienenforschers liefert wie auch Fragmente einer Geschichte der neuzeitlichen Bienenforschung.

Parallelen zwischen Lorenz und von Frisch

Das Buch, das zwei Jahre nach dem englischen Original nun in einer gelungenen deutschen Übersetzung vorliegt, geht auf eine Dissertation zurück, mit der Munz an der Princeton University promovierte und die noch von Karl von Frisch und Konrad Lorenz handelte. Tatsächlich gab es zahlreiche Parallelen zwischen den zwei großen Zoologen und Verhaltensforschern: Beide hatten einen großbürgerlichen Hintergrund, einen Arzt als Vater, beide verbrachten ihre Schulzeit im Schottengymnasium.

Und obwohl beide die meiste Zeit ihres jeweiligen Lebens in Bayern forschten (von Frisch in München und Lorenz in Seewiesen), so machten sie ihre wichtigsten Entdeckungen in den jeweiligen Familiendomizilen: Lorenz durch hellsichtige Beobachtungen in seinem Privatzoo in Altenberg bei Wien und der geniale Experimentator von Frisch in Brunnwinkl am Wolfgangsee im Salzkammergut.

Keinerlei NS-Begeisterung

Sehr unterschiedlich war aber ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus: Während sich der um fast 17 Jahre jüngere Lorenz nach dem "Anschluss" zumindest einige Monate lang als begeisterter Anhänger des Regimes zu erkennen gab, war der unpolitische von Frisch kein Unterstützer der Nazis und setzte sich unter anderem für den polnisch-jüdischen Biologen Roman Wojtusiak ein, der im KZ Dachau interniert war.

Doch um in der NS-Zeit in München weiterforschen zu können, musste auch von Frisch Kompromisse eingehen, wie Munz im Hauptteil ihrer Biografie rekonstruiert. Ab Anfang 1941 war er nämlich mit dem Vorwurf konfrontiert, "Vierteljude" zu sein. Und das hätte für den leidenschaftlichen Wissenschafter die zwangsweise Pensionierung bedeutet.

Kriegswichtige Forschungen

Dazu wollte es der Forscher aber nicht kommen lassen, weshalb er einflussreiche Kollegen mobilisierte. Die entscheidende Hilfe kam vermutlich von Bernhard Grzimek. Der spätere Zoodirektor war im NS-Landwirtschaftsministerium angestellt und trug wohl mit dazu bei, dass von Frischs Forschungen über die Bienenseuche Nosemose als kriegswichtig eingestuft wurden.

Die Pointe der Geschichte udn zugleich der Angelpunkt des Buchs: Ausgerechnet gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gelang von Frisch und seinen Mitarbeitern in Brunnwinkl der entscheidende Durchbruch bei der Entschlüsselung der Bienentanzsprache: Er konnte zeigen, welche komplexen Informationen im Rund- und vor allem im Schwänzeltanz der Bienen stecken, und widerlegte dabei seine früheren Behauptungen.

Porträt mit Grautönen

Während Forscher in der NS-Zeit gewöhnlich als Opfer oder Täter porträtiert werden, entzieht sich von Frisch dieser einfachen Einteilung in Gut und Böse, wie Munz zeigt. Das ist aber nicht ihr einziges Verdienst: Sie rekonstruiert das beeindruckende Lebenswerk dieses großen Forschers im Kontext seiner Zeit, lässt dabei den Leser von Frischs bahnbrechende Erkenntnisse neu entdecken und liefert in vier eingestreuten Skizzen auch noch Erhellendes über andere bedeutende Erforscher dieser faszinierenden Insekten. (Klaus Taschwer, 23.9.2018)