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Ganz haben diese Demonstranten in London die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Foto: REUTERS/Hannah McKay/File Photo

Brüssel – EU-Ratspräsident Donald Tusk warnt sechs Monate vor dem EU-Austritt Großbritanniens vor "katastrophalen" Folgen eines chaotischen Brexits. Unglücklicherweise sei ein Ausscheiden des Vereinigten Königreichs ohne weitreichenden Vertrag mit der EU immer noch möglich, schrieb Tusk am Dienstag in seinem Einladungsbrief zum EU-Gipfel in Salzburg.

"Wenn wir alle verantwortungsvoll handeln, können wir eine Katastrophe vermeiden", so Tusk. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden im Rahmen des informellen Gipfels in Salzburg über die Möglichkeit eines Brexit-Sondergipfels im November beraten. Großbritannien hingegen fordert von der EU mehr Entgegenkommen in den Verhandlungen. Der britische Brexit-Staatssekretär Martin Callanan betonte am Dienstag in Brüssel: "Großbritannien hat sich kompromissbereit gezeigt. Wir haben unser 'White Paper' präsentiert. Nun ist es an der Zeit, dass das die EU erwidert".

Blümel: Briten wollten gehen

Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) erwiderte, eine vermehrte Kompromissbereitschaft der EU gegenüber den Briten als notwendig anzusehen. Denn "es war ja nicht Europa, das entschieden hat, dass Großbritannien gehen soll. Es waren die Briten, die entschieden haben, dass sie gehen wollen", sagte Blümel. Das sei schade, aber jetzt müssten die Briten einen Weg finden, wie sie damit umgingen. Die anderen 27 EU-Staaten hätten jedenfalls eine klare Linie. Über 80 Prozent des Austrittsvertrages seien fertig verhandelt, allerdings bleiben noch wichtige Fragen, wie jene der Grenze zwischen Irland und Nordirland, zu lösen.

Am Nachmittag wird EU-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier die Europaminister, allerdings ohne Großbritannien, über die bisherigen Verhandlungen informieren. Noch ist unklar, ob diese wie geplant bis Ende Oktober abgeschlossen werden können. Beim Salzburg-Gipfel könnte eine Verlängerung der Verhandlungen bis in den November hinein beschlossen werden.

Seit Monaten Stillstand

Auf dem informellen EU-Gipfel in Salzburg am Mittwoch und Donnerstag werden auch die Staats- und Regierungschef von Barnier über den Stand der Gespräche unterrichtet. Entscheidungen werden nicht getroffen. Großbritannien verlässt die EU nach bisheriger Planung am 29. März 2019. Wie das ablaufen soll, ist noch völlig unklar. Die EU und die Regierung in London verhandeln über einen Ausstiegsvertrag, der die künftigen Beziehungen regeln soll. In zentralen Fragen herrscht aber seit Monaten Stillstand.

Die größte Hürde ist der künftige Status der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland, die dann zur EU-Außengrenze wird. Um den fragilen Frieden auf der Insel nach Jahrzehnten der Gewalt zu bewahren, will die EU neue Grenzkontrollen zwischen Nord und Süd unbedingt vermeiden. Dazu will die EU eine Notfalllösung (backstop) im Ausstiegsvertrag verankern, wonach Nordirland sich notfalls auch nach dem Brexit an EU-Regeln halten muss. Die Regierung in London hält die Lösung für nicht praktikabel.

Die Staats- und Regierungschef sollten in Salzburg die Notwendigkeit eines rechtlich verbindlich Backstops unterstreichen, schrieb Tusk. Zur Vorbereitung des Sondergipfels trifft Tusk am heutigen Dienstag noch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. Frankreich gilt als skeptisch bezüglich eines Brexit-Sondergipfels im November. Der Gipfel dürfte aber bereits beschlossene Sache sein.

Raab: Europäer müssen sich bewegen

Im Vorfeld des Salzburg-Gipfels forderte der britische Brexit-Minister Dominic Raab erneut Flexibilität von der EU in den Brexit-Gesprächen. Der Ball liege nun eher im Feld der Europäer als der Briten, sagte Raab der "Welt". Raab sagte, zu dem von Premierministerin Theresa May vorgelegten Plan zu den künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU gebe es keine Alternative. Ein zweites Brexit-Referendum, das unter anderem der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan fordert, schloss Raab dem Nachrichtenportal "Spiegel Online" zufolge aus.

May will eine Freihandelszone mit der EU schaffen und einen Teil der gemeinsamen Regeln beibehalten. Viele Brexit-Befürworter verlangen dagegen einen klaren Schnitt und drohen, ein von ihr ausgehandeltes Abkommen scheitern zu lassen. Einige von ihnen starteten eine landesweite Anzeigenkampagne in 30 Regionalzeitungen mit dem Ziel, May von Zugeständnissen abzuhalten. (APA, 18.9.2018)