Macron betonte beim Treffen mit Kurz (vorne) im Élysée-Hof die Wichtigkeit dessen, dass die Europäer ihren "Werten" und humanitären Zielen bei der Behandlung von Flüchtlingen nachkommen.

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Kurz vor dem am Mittwochabend in Salzburg beginnenden EU-Gipfel zeichnen sich zwischen den EU-Partnern in Sachen gemeinsamer Migrations- und Asylpolitik sowie im Kampf gegen das Schlepperwesen nur kleinere Fortschritte ab. Zwar gibt es – mit Ausnahme einzelner Staaten wie Ungarn, Spanien oder Griechenland – einen Konsens darüber, dass die im Grundsatz vereinbarte Stärkung des EU-Außengrenzschutzes durch die EU-Behörde Frontex so rasch wie möglich kommen soll.

Kern dessen ist der von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede vor dem EU-Parlament zuletzt bekräftigte Vorschlag, Frontex bis 2020 auf 10.000 EU-Grenzbeamte aufzustocken und in der kommenden Budgetperiode ab 2021 rund 2,2 Milliarden Euro bereitzustellen, etwa für Schiffe und Flugzeuge. Auch sollen bis Dezember nach jahrelangen Versäumnissen endlich Rückübernahmeabkommen mit Transitländern in Nord- und Zentralafrika auf den Weg gebracht werden, damit abgelehnte Asylwerber rascher in ihre Heimatländer abgeschoben werden können.

Aber: Was die Verteilung von Asylwerbern auf die EU-Staaten oder die Verfahrensharmonisierung betrifft, scheinen Lösungen kaum möglich. Gleiches gilt für die im Juni beschlossenen Pläne, inner- und außerhalb des EU-Gebiets "Ausschiffungsplattformen" zu schaffen, in die Bootsflüchtlinge gebracht werden sollen, um versorgt und auf Asylberechtigung erstgeprüft zu werden. Kein Land ist bereit für solche Lager.

Blitzbesuch in Berlin und Paris

Dieses gemischte politische Bild ergab sich am Montag nach einer Blitzvisite von Kanzler Sebastian Kurz in seiner Eigenschaft als EU-Ratsvorsitzender nach Berlin und Paris bei den einflussreichsten EU-Regierungen. In Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron versuchte er auszuloten, welche Handlungsperspektiven sich bis Ende Dezember auftun könnten. Merkel und Macron sicherten Unterstützung für die Frontex-Pläne von Juncker zu.

Merkel sprach sich für konkrete Schritte aus, es werde seit Jahren zu viel geredet. Macron betonte bei seinem Auftritt mit Kurz im Hof des Élysée, dass die Bürger sich erwarteten, dass die Außengrenzen geschützt werden und Rückführungen konsequenter umgesetzt werden.

Kurz wies darauf hin, dass sich die Themenschwerpunkte in drei Jahren bei den Regierungschefs verlagert hätten: Niemand stelle mehr infrage, dass die EU ihre Außengrenzen besser schützen müsse. Gleichzeitig rücke in den Vordergrund, dass die Europäer ihre Hilfen für Afrika verstärken müssen und die Wirtschaftsbeziehungen zu diesen Ländern ausbauen müssten. Im Dezember wird es in Wien dazu einen EU-Afrika-Gipfel geben.

Frostige Grüße aus Rom

Am Dienstag wurde Kurz in Rom erwartet, von wo aus am Montagabend frostige Willkommensgrüße kamen. Anlass sind einmal mehr die Wiener Pläne, Südtirolern, die der deutschen Sprachgruppe angehören, einen österreichischen Pass anzubieten. Das bezeichnete das italienische Außenamt in einer ungewöhnlich scharfen Formulierung als Ausdruck von "anachronistischem Revanchismus".

Die Pläne seien unangebracht und schwer verständlich. Außenminister Enzo Moavero Milanesi wolle auch ein geplantes bilaterales Treffen mit Österreichs Chefdiplomatin Karin Kneissl in Wien absagen. Denn dieses könne nur in einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens stattfinden, wie es sie derzeit nicht gebe.

Brexit-Sondergipfel

Zweites großes Thema in Salzburg wird der Brexit. Kurz will "alles tun, um einen harten Brexit ohne Verhandlungsergebnis zu vermeiden", ein solcher wäre für die Briten und für die EU-27 mit Nachteilen verbunden. Vollzogen würde der EU-Austritt Ende März 2019. Die Aussichten auf eine gütliche Einigung haben sich zuletzt deutlich verschlechtert. Zum einen versuchen die Hardliner in Mays Tory-Partei, die Premierministerin aus dem Amt zu hebeln. Zum anderen deutete May selbst Härte an. Es werde "meinen Deal oder keinen Deal geben", sagte sie.

Bei den Regierungschefs gilt es als ausgemacht, dass der Termin Ende Oktober für den Abschluss der Verhandlungen nicht zu halten sein wird. EU-Chefverhandler Michel Barnier hat gemeint, es wäre denkbar, dass die Regierungschefs einstimmig eine Verlängerung der EU-Mitgliedschaft über März 2019 hinaus beschließen. Laut EU-Vertrag ist das möglich, wenn alle zustimmen. Möglich, dass beim Salzburg-Gipfel ein Brexit-Sondergipfel im November angekündigt wird. (Thomas Mayer aus Paris, 17.9.2018)