Salzburg/Graz – Sozialversicherungsmonopoly, Machtübernahme, Ende der Selbstverwaltung: Mit scharfen Worten kritisiert die Salzburger Gebietskrankenkasse den Entwurf der türkis-blauen Bundesregierung zur Sozialversicherungsreform. "Die Industrie darf sich endlich über mehr Einfluss und Kostensenkungen freuen, die privaten Krankenversicherungen reiben sich schon die Hände", heißt es in einer Aussendung der GKK Salzburg.

"Der Regierung ging es nie darum, ein eigentlich funktionierendes System zu verbessern und weiter zu entwickeln. Letztendlich geht es um die Übernahme der Macht, damit die Regierungsparteien endlich in ihrem Sinne und im Sinne ihrer Unterstützer Handlungsfreiheit haben", erklärt Kassenobmann Andreas Huss. Künftig treffe die Wirtschaft die Entscheidung, wie das Geld der Arbeitnehmer eingesetzt werde. "Dass dieser Eingriff in die Selbstverwaltung verfassungsrechtlich nicht halten wird, darüber sind Verfassungsrechtler weitgehend einig."

FPÖ-Ministerium übernehme Ausrichtung

Weiters kritisiert Huss, dass bereits der Überleitungsausschuss von einem Dienstgebervertreter geführt werden soll. "Weitere führende Positionen für die Übergangszeit besetzt das FPÖ-Ministerium und übernimmt somit die strategische Ausrichtung der Krankenversicherung." Auch der Plan eines halbjährlich wechselnden Vorsitzes im Verwaltungsrat der geplanten Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sorge für Kopfschütteln: Kein moderner und zukunftsorientierter Betrieb würde ein solches Hü-hott-Management überleben.

Für den Obmann der steirischen GKK, Josef Harb, ist der von der Regierung vorgelegte Entwurf "demokratiepolitisch höchst bedenklich" und geht in Richtung des Bestimmens weniger (Arbeitgebervertreter) über viele (Arbeitnehmer). Die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) hielt sich mit Kritik zumindest vorerst zurück.

"Enteignung der Arbeitnehmer"

"Das ist nichts anderes als eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems, das ist in Wahrheit eine Enteignung der Arbeitnehmer", sagte Harb am Montag. Grundsätzlich habe er nichts gegen Reformen: "Veränderungsprozesse sind nicht schlecht, aber auch nicht per se gut." Die Stärkung der Stellung der Arbeitgeber durch den Entwurf stelle sich für ihn so dar: "Die Chefs erklären den Mitarbeitern, welche Form der Gesundheitsversicherung für sie ausreichend ist."

Es sei nichts anderes als eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems, um eine politische Agenda umzusetzen. "Oder glaubt irgendwer, dass plötzlich Milch und Honig fließen, wenn ein paar Funktionäre wegreformiert sind? Um meinen Hintern geht es mir nicht, es sind die Vorgänge an sich, die sind demokratiepolitisch höchst bedenklich", sagt Harb. In zehn Jahren sollen 30 Prozent der Mitarbeiter eingespart werden. "Das hört sich gut an, aber das wird auch die Bevölkerung treffen, wenn die Kapazitäten sinken oder Außenstellen zusammengelegt werden. Außerdem, was will man bei Verwaltungskosten von 1,59 Prozent noch viel sparen?"

Wiener GKK: "Absurde Summe"

Die Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl, warnte am Montag vor deutlichen Auswirkungen für Patienten, wenn die neue Struktur wie vorgesehen kommt. Sie bezweifelte im Ö1-"Morgenjournal", dass es die versprochene Milliarde für die Versicherten geben wird. "Das kann sich nicht ausgehen." Reischl sprach von einer "absurden" Summe.

Die unterschiedlichen Angaben zu erwarteten Einsparungen durch die Kassenzusammenlegung riefen am Montag auch noch einmal die SPÖ auf den Plan. Entweder es werde gelogen oder gegen das Bundeshaushaltsrecht verstoßen, erklärte Budgetsprecher Jan Krainer. Es geht es um das Versprechen der Regierung, mit der Kassenfusion bis 2023 eine Milliarde Euro einsparen zu können. Im Begutachtungsentwurf sieht man dagegen bis zu diesem Jahr nur ein Potenzial von rund 33 Millionen. Bis 2026 sollen dann durch Synergien im Backoffice-Bereich und Personalreduktion in Summe 350 Millionen eingespart werden.

SPÖ: Dreiste Lüge

Im Sozialministerium erklärte man die Differenz am Wochenende damit, dass man im Begutachtungsverfahren nur Zahlen des Bundes angeben könne. Für die Selbstverwaltung könne man keine Angaben machen. Auch die Klubchefs der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ argumentierten auf diese Weise.

Krainer lässt das nicht gelten. Er verweist auf die entsprechenden Bestimmungen im Bundeshaushaltsrecht. Für Entwürfe von Rechtsvorschriften seien auch die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte der Sozialversicherungsträger darzustellen, wenn diese davon betroffen sind, heiß es dort. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten", meint Krainer: "Der Gesetzesentwurf mit seiner Darstellung der finanziellen Auswirkungen ist falsch und verstößt gegen das Bundeshaushaltsrecht. Oder: Die Behauptung der Regierung, dass eine Milliarde bis 2023 gespart werde, ist eine dreiste Lüge."

Verfassungswidrig

Die Vorarlberger Arbeiterkammer hat nun angekündigt, die Reform beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen zu wollen. Passagen im Gesetzesentwurf seien verfassungswidrig ein, bestätigte AK-Präsident Hubert Hämmerle einen Bericht der "Vorarlberger Nachrichten". Auch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse forderte Änderungen.

Auf Ablehnung stößt die Kassenzusammenlegung auch im Burgenland. "Ein gut funktionierendes System wird mutwillig zerstört", kritisiert Gesundheits- und Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ). Mit den sozialdemokratischen Gesundheitslandesräten habe die Bundesregierung nicht geredet. (APA, 17.9.2018)