"Wo sind die neuen Formate?" Und was kosteten die Showflops des Jahres 2018? ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer (SPÖ) hat in dieser Sitzungswoche einige Fragen an die ORF-Führung.

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Wien – Was hat den ORF "Zur Hölle damit?" gekostet? Was "Meine Mama kocht besser als deine?" – beide neuen Shows wurden im Frühjahr aus Quotenmangel rasch aus dem Hauptabend in die Nacht verräumt. Und was kostete den ORF die beworbene, aber nie gesendete Heimwerker-"Hammershow" mit Mirjam Weichselbraun? Das will ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer diese Woche von der ORF-Führung wissen – und was mit diesen Formaten passiert.

"Es kann nicht sein, dass man diese Sendungen sang- und klanglos verschrottet", sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD. Montag im Finanzausschuss des Stiftungsrats und Mittwoch im Programmausschuss verlangt er Aufklärung über die Kosten und den Verbleib der Flop-Formate. Und nicht nur darüber.

Unterhaltungschef gesucht

So rasch wie möglich brauche der ORF einen Nachfolger für den langjährigen Unterhaltungschef Edgar Böhm, sagt Lederer. Böhm geht gegen Ende 2018 denn doch mit seinem 65. Geburtstag in Pension – "Zur Hölle", die kochenden Mütter und die "Hammershow" fielen noch in Böhms Verantwortung. Lederer vermisst Showideen bis zur nächsten Staffel "Dancing Stars" im Herbst 2019: "Wo sind die neuen Formate?"

Böhms erwarteter und logischer Nachfolger – der langjährige "Seitenblicke"-Chef Alexander Hofer – wurde im Frühsommer aber Channel Manager von ORF 2. Also wird etwa Martin Gastinger als möglicher Kandidat gehandelt. Gastinger hat als langjähriger Programmchef und – bis zur Übernahme durch Konkurrent ProSiebenSat1 2017 – Geschäftsführer von ATV viel und besondere Erfahrung im Umgang mit internationalen Showformaten und Auftragsproduktionen. Lederer will diese Kolportage nicht kommentieren. Er erinnert nur: "Ich war immer für Blutauffrischung", der ORF dürfe "nicht im eigenen Saft schmoren".

"Vorschusslorbeeren" für Totzauer, Hofer, Geier, Schrom

Und Lederer beklagt grundsätzlich: "Ich sehe keine Maßnahmen, die das Problem TV-Reichweiten in den Griff kriegen" – zwischen fünf und zehn Prozent fehlten dem ORF inzwischen, insbesondere im Vorabend: "Die schlechten Reichweiten haben inzwischen schon die 'ZiB 1' erreicht", warnt er: "Mir fehlt da noch ein Konzept. Wir müssen den Vorabend dramatisch verändern." Der SPÖ-Stiftungsrat: "Wir brauchen Eventformate, auch im Vorabend, auch wenn das Geld kostet."

Aber Sozialdemokrat Lederer, seit Langem schon beständiger Kritiker von ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner, lobt "explizit" das neue, bürgerlich-freiheitliche Channelmanager-Team – Lisa Totzauer und Wolfgang Geier (ORF 1) sowie Alexander Hofer und Matthias Schrom-Kux (ORF 2): "Was sie vorgestellt haben, hat Hand und Fuß, das ist schon einmal mutig." Für sie hat Lederer "Vorschusslorbeeren" zur Hand – sie würden "ein schweres Erbe antreten".

"Blutauffrischung" Martin Thür

Martin Thür als Anchorman einer neuen Wochenend-"ZiB 2" etwa fände Lederer eine "gute Innovation" – siehe "Blutauffrischung". Durchaus möglich allerdings nach aktuellem Stand, dass der ehemalige ATV-Star und "Addendum"-Journalist Thür als Redakteur zur "ZiB 2" kommt und der voraussichtliche neue Sendungschef Christoph Varga – entgegen langjährigen ORF-Gepflogenheiten – die Wochenendausgaben des ORF-Tagesmagazins moderiert. Thür wäre für Lederer "eine gute Entscheidung – er würde vor allem den Sonntag und 'Im Zentrum" befruchten und Themen setzen – das ist das Entscheidende".

Bei allem Vorschusslorbeer für die Channel Manager mahnt Lederer zur Eile, die Quoten der ORF-Fernsehprogramme zu stabilisieren oder gar zu steigern: "Wir haben nicht ein Jahr Zeit – was weg ist, ist weg." Und: Jeder Prozentpunkt verlorener Marktanteil werde im "entscheidendsten Jahr für den ORF" mit neuem ORF-Gesetz, Gebührendebatte (und wohl neuer ORF-Führung) gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verwendet.

Straches "Lucky Punch" bei "Sommergesprächen"

100.000 Zuschauer weniger als (im Wahljahr) 2017 für die "Sommergespräche" 2018 alarmieren Lederer ebenfalls. Die Journalisten – Hans Bürger und Nadja Bernhard – hätten "ihr Bestes gegeben", bilanziert der Stiftungsrat: "Inhaltlich in Ordnung." Der vermeintliche "Gag", Raucherlobbyist, Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einen Aschenbecher servieren zu lassen, habe aber "den Lucky Punch des Herrn Vizekanzler verdient". Strache konterte den Hinweis Bernhards, er könne gerne rauchen, mit: Das werde er gern nach der Sendung mit Bernhard tun. Lederer grundsätzlicher zu den "Sommergesprächen 2018": "Sie waren technisch nicht gerade am Höhepunkt einer modernen TV-Dramaturgie."

Digitaler Nachholbedarf

Der Kommunikationsberater und Sprecher des mit der neuen Regierung drastisch geschrumpften SPÖ-Freundeskreises im Stiftungsrat vermisst nicht allein im ORF-Fernsehen Maßnahmen – inhaltlich wie personell. Petra Stolba (ÖVP) und er wollten "mehr Druck aufbauen in Sachen Digitalisierung". Lederer würdigt etwa die Überlegungen von ORF-Onlinechef und Technikvizedirektor Thomas Prantner etwa zum Ausbau der TVthek. Doch er moniert grundsätzlicher: "Mir fehlt die Umsetzung, mir fehlen die Personen, die das machen sollen." (fid, 17.9.2018)