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Sadiq Khan sieht nicht nur den Wohlstand "seiner" Londoner durch den Brexit gefährdet, sondern jenen aller Briten.

Foto: REUTERS/Hannah McKay

London – Ein erneutes EU-Referendum sei nie unausweichlich gewesen. Auch hätte er nie geglaubt, dafür einstehen zu müssen. Das "erbärmliche Versagen der Regierung" und die Gefahren eines schlechten Deals oder gar eines No-Deal-Szenarios erfordern es allerdings, den Briten ein erneutes Mitspracherecht zuzugestehen, schrieb Sadiq Khan im britischen "Guardian" am Samstag. Der beliebte Londoner Labour-Bürgermeister positioniert sich damit offen im wachsenden Lager von Politikern, die die Briten erneut an die Urne bitten wollen, um über einen möglichen Verbleib, oder zumindest die Modalitäten eines Brexits zu entscheiden. Immer häufiger rückt dabei das Argument in den Mittelpunkt, wonach den Menschen damals ein völlig anderer Brexit versprochen wurde, als es die aktuellen Verhandlungen nahelegen.

Bevölkerung für Referendum

Premierministerin Theresa May von den konservativen Tories hatte ein erneutes Referendum erst Anfang September als "groben Verrat" an der britischen Demokratie bezeichnet. Immerhin seien im Juni 2016 Millionen Menschen zur Abstimmung gegangen, damit ihre Stimmen endlich nicht mehr von der Politik ignoriert werden. Die schleppenden Verhandlungen zwischen London und Brüssel schüren indes Unsicherheit in der britischen Bevölkerung, sodass im Juli 2018 mit 42 Prozent erstmals mehr Menschen ein zweites Referendum befürworteten als ablehnten. 41 Prozent sprachen sich in einer Yougov-Umfrage dagegen aus. Wie genau ein solches Referendum noch vor dem offiziellen Brexit am 29. März 2019 aussehen könnte, ist unklar:

  • Der politische Wille vonseiten der EU, den Brexit auf Wunsch Londons noch zu stoppen, ist da. Kommissionspräsident Juncker und Ratspräsident Tusk betonten dies wiederholt. Ob es rechtlich möglich ist, hätten letztes Endes wohl die Höchstrichter am Europäischen Gerichtshof zu entscheiden. Austrittsartikel 50 des EU-Vertrags, den London im März 2017 aktivierte, ist – wohl bewusst – vage.

  • Artikel 50 beinhaltet auch die Möglichkeit, die zweijährige Übergangsfrist zu verlängern. Wenn die 28 Mitgliedstaaten, inklusive Großbritannien, einstimmig dafür votieren, könnte dadurch auch etwas mehr Zeit für die Vorbereitung eines etwaigen zweiten Referendums gewonnen werden.

  • Sollte es tatsächlich zu einem zweiten Referendum kommen, müsste bis dahin ein Deal mit der EU stehen, über den es abzustimmen gilt. Möglich wäre dann eine Drei-Alternativen-Konstellation aus Ablehnung des Deals samt Verbleib in der EU, Ablehnung des Deals samt ungeordnetem Brexit oder Annahme des Deals samt geregeltem Brexit. Dadurch könnten aber theoretisch 34 Prozent über die Zukunft des Landes entscheiden, weshalb manche für ein doppeltes Referendum plädieren, wo im ersten Schritt die unbeliebteste Alternative wegfällt und eine absolute Mehrheit dann die Entweder-oder-Entscheidung trifft. (Fabian Sommavilla, 16.9.2018)