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Die Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden(von links): Polizeichef Dieter Romann, Bundeskriminalamt-Chef Holger Münch, Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maassen und Bundesnachrichtendienst-Chef Bruno Kahl bei einem Empfang in Berlin.

Foto: REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE

Berlin – Nach dem Spitzentreffen der deutschen Koalition vom Donnerstag haben führende SPD-Politiker die Forderung nach einer Ablösung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen bekräftigt. "Für die SPD ist klar, dass Herr Maaßen gehen muss", sagte Generalsekretär Lars Klingbeil. Dieser habe auch nach seinen umstrittenen Interviewäußerungen zu Vorfällen in Chemnitz "keine Aufklärung betrieben" und das Vertrauen "nicht wiederhergestellt".

Jusos-Chef Kevin Kühnert sagte am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin", es habe zwar am Donnerstag erst etwas gedauert, "es hat sich geruckelt, aber seitdem ist die Position der SPD sehr klar". Maaßen sei "in seinem Amt nicht zu halten".

Merkel müsse "Position beziehen"

Kühnert forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Position zu beziehen. Maaßen sei "bar jeder Fakten" mit Äußerungen herumgelaufen, in denen von der Fälschung von Videos die Rede gewesen sei. Außerdem habe er entgegen der Darstellung in Polizeiprotokollen behauptet, es habe in der Stadt gegen Ausländer "keine Hetzjagden gegeben".

DER STANDARD

"Wir haben in der SPD eine klare Haltung: Maaßen ist in seinem Amt nicht mehr tragbar", sagte SPD-Vizechefin Malu Dreyer den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Der Verfassungsschutzchef habe "maximalen Schaden angerichtet, indem er die Glaubwürdigkeit der Medien, der Augenzeugen und der Kanzlerin nicht nur infrage gestellt hat, sondern von gezielter Fehlinformation gesprochen hat".

Krisensitzung vertagt

Die Parteichefs von Union und SPD hatten am Donnerstagnachmittag bei einem Krisentreffen im Kanzleramt zunächst keine Entscheidung über Maaßens Zukunft getroffen. Stattdessen vertagten sie sich auf kommenden Dienstag. CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer will an Maaßen festhalten. CSU-Generalsekretär Markus Blume kritisierte die Forderung der SPD im "Morgenmagazin" als "völlig unverständlich".

Ein Sprecher des Innenressorts teilte nach dem Spitzentreffen Merkels mit Seehofer und der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles mit, es sei "ein gutes, ernsthaftes Gespräch mit dem Ziel weiterer Zusammenarbeit" geführt worden. Über die Inhalte sei Stillschweigen vereinbart worden. Von einem "ernsthaften" Gespräch und dem "Ziel weiterer Zusammenarbeit" war auch aus SPD-Kreisen die Rede.

Merkel selbst meldete sich später so zu Wort: "So wichtig die Position des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist, so klar ist auch, dass die Koalition an der Frage eines Präsidenten einer nachgeordneten Behörde nicht zerbrechen wird."

Immer mehr Kritik

Auch SPD-Fraktionsvize Eva Högl forderte Merkel auf, für "Klarheit" zu sorgen. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sagte der "Welt" vom Freitag, Maaßen sei "als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht mehr tragbar". Zuvor hatten mehrere SPD-Politiker den Fortbestand der Koalition in Frage gestellt, sollte Maaßen im Amt bleiben.

Für neue Empörung sorgten Angaben des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner gegenüber dem ARD-Magazin "Kontraste", wonach Maaßen ihm bei einem Gespräch im Juni Daten zu islamistischen Gefährdern weitergegeben habe, die aus dem damals noch nicht veröffentlichten Verfassungsschutzbericht stammten. Zudem ging es laut Brandner um das Budget des Verfassungsschutzes. Dieses ist als vertraulich eingestuft.

AfD bekam Verfassungsschutzdaten früher

Die Daten aus dem Verfassungsschutzbericht seien "den anderen Fraktionen und der Öffentlichkeit erst Wochen später zur Verfügung gestanden", sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der "Frankfurter Rundschau" vom Freitag. Zudem wäre es aus seiner Sicht ein schwerwiegender Vorgang, wenn Maaßen auch Interna aus dem Budget seiner Behörde an die AfD gegeben habe.

Der Linken-Abgeordnete André Hahn verwies darauf, dass Maaßen am Mittwoch im Innenausschuss erklärt habe, niemals Unterlagen des Bundesamts an Vertreter der AfD weitergegeben zu haben. Wenn Maaßen nun auch noch das Parlament belogen habe, müsse Seehofer ihn "noch heute entlassen".

Ein Sprecher des Verfassungsschutzes trat gleichwohl dem Endruck entgegen, Maaßen habe unerlaubt Informationen weitergegeben. Das Innenministerium teilte mit, dass Gespräche des Verfassungsschutzchefs mit Abgeordneten "Teil des gesetzlichen Auftrags" der Behörde seien. Sie erfolgten "mit Wissen und Wollen" des Ministeriums.

Schlechte Vertrauensumfragen

Indes wurde bekannt, dass die Deutschen dem Verfassungsschutz einer Umfrage zufolge deutlich weniger trauen als den anderen Sicherheitsbehörden. In dem am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" gaben 38 Prozent an, sie hätten großes Vertrauen in den Inlandsgeheimdienst. 55 Prozent der Befragten sagten, dass sie kein großes Vertrauen in die Sicherheitsbehörde hätten. Wesentlich besser ist das Ansehen anderer Behörden: 81 Prozent der Befragten äußerten demnach großes Vertrauen in die Polizei, 58 Prozent in die Gerichte.

79 Prozent der Deutschen sehen laut Politbarometer Rechtsextremismus als große Gefahr für die Demokratie. Nur 48 Prozent sehen diese Gefahr auch beim Linksextremismus. 60 Prozent wiederum geben an, dass die AfD eine Gefahr sei. Die Forschungsgruppe Wahlen hat für das "Politbarometer" vom 11. bis 13. September 1.339 Wahlberechtigte befragt (APA, 14.9.2018)