Flüchtlingshelfer kritisieren europaweit die EU-Pläne zur Asylreform.

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Wien – Laut diskutiert werde in Europa derzeit "über eher utopische Überlegungen wie Asylverfahrenszentren in Afrika" sowie über eine Intensivierung des Grenzschutzes, um Migranten ebenso wie Schutzsuchenden das Betreten von Unionsgebiet zu erschweren, sagte Christoph Riedl, Experte für Asyl und Menschenrechte der Diakonie Österreich.

Weit leiser, wenn nicht überhaupt ungehört blieben hingegen Pläne, die, so man sie wie ursprünglich vorgesehen umsetze, die Lage von Asylwerbern EU-weit stark verschlechtern würden.

Ziel: Vereinheitlichung

Damit sprach der NGO-Vertreter die Arbeiten für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas, siehe "Asyl-Trialog" unten) an. Laut der Europäischen Kommission soll sie das EU-Flüchtlingswesen vereinheitlichen – eine Absicht, die den meisten Experten unabdingbar erscheint.

Die Geas-Reform soll das Asylwesen unionsweit verändern: vom Dublin-System, das bestimmt, welches Land für ein Asylverfahren zuständig ist, über Eurodac, die EU-weite Datenbank zu Fremden, bis hin zur Easo, der EU-Asylagentur.

"Aushöhlung des Schutzes"

Besagte Pläne sind ziemlich umfassend. Bei Flüchtlingshelfern und Vertretern von Asyl-NGOs rufen sie unionsweit heftigen Widerspruch hervor.

So auch in Österreich, wo am Donnerstag die fünf größten Hilfsorganisationen – Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe – gemeinsam vor die Presse traten, um in Zeiten der österreichischen EU-Präsidentschaft und kurz vor dem informellen EU-Gipfel kommende Woche in Salzburg ihrer Befürchtung Ausdruck zu verleihen: dass es durch die Änderungen zur Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes kommen könne.

Sanktionen bei Weiterreise

Etwa durch die geplanten Sanktionen für Asylwerber, die – Stichwort Dublin – nicht in dem EU-Staat bleiben, der ihr Verfahren führt, sondern innerhalb der Union weiterwandern, etwa aus familiären Gründen oder auch weil ihnen ein anderes Land attraktiver erscheint. Laut den Kommissionsvorschlägen sollen ihnen soziale Leistungen und der volle Gesundheitsschutz gestrichen, ihre Rechte im Asylverfahren eingeschränkt werden.

Das Europaparlament hat diese Sanktionen abgelehnt. "Der Plan, die Weiterreise von Asylwerbern zu bestrafen, geht an der Lebensrealität dieser Menschen vorbei", sagte am Donnerstag auch Diakonie-Direktorin Maria-Katharina Moser: Um bei ihrer Familie leben zu können, würden die meisten Betroffenen "ein Leben als U-Boot auf sich nehmen".

"Sichere Drittstaaten" ohne Sicherheit

Kritik kommt von den als Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (Bag) auftretenden NGO-Repräsentanten aber etwa auch an der im Zuge der Geas-Reform geplanten Absenkung der Kriterien, um ein Land zu einem "sicheren Drittstaat" zu erklären, in den ohne Prüfung abgeschoben werden kann. Hier drohe Menschenrecht in Europa "herunterlizitiert" zu werden, sagte Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter.

Ablehnend stehen die NGOs auch den Kommissionsplänen in Bezug auf minderjährige Asylwerber gegenüber: Im Unterschied zur jetzigen Rechtslage sollen sie künftig laut Dublin wie Erwachsene allein in andere Unionsstaaten rückgeschoben werden können. Auch Schubhaft soll bei ihnen erlaubt sein.

"Letztlich Verbrechen an Kindern und Jugendlichen"

"Die Kommissionsvorschläge sehen keinen ausreichenden Schutz von Minderjährigen vor", steht dazu im Bag-Positionspapier. Volkshilfe-Chef Erich Fenninger kommentierte es emotionaler: "Das wären letztlich Verbrechen an Kindern und Jugendlichen", sagte er. (Irene Brickner, 14.9.2018)