Mehr als 50.000 Menschen landeten nach dem niedergeschlagenen Putsch gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Sommer 2016 in türkischen Gefängnissen. Um die wenigsten davon wird in den Staatskanzleien der Welt so viel Aufhebens gemacht wie in den Fällen prominenter Journalisten und Oppositioneller.

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So hat Washington etwa wegen der Inhaftierung des US -Pastors Andrew Brunson – inzwischen steht er unter Hausarrest – Sanktionen gegen das türkische Regime verhängt. Brunson werden Verbindungen zu dem des Umsturzversuchs verdächtigten Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen.

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Im deutschen Sprachraum schlug die Inhaftierung des Istanbul-Korrespondenten der deutschen Tageszeitung Die Welt, Deniz Yücel, die höchsten Wellen. Von Februar 2017 an war der kritische Journalist ein Jahr und zwei Tage lang wegen Terrorpropaganda eingesperrt, den größten Teil davon in strenger Einzelhaft. Während unter dem Hashtag #FreeDeniz Tausende in sozialen Medien seine Freilassung forderten, wurde der Fall im Kontext der angespannten Beziehung zwischen Berlin und Ankara zu einem Politikum.

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Im Juli 2017 nahm ein Sonderkommando der türkischen Polizei den deutschen Politologen Peter Steudtner am Rande eines Workshops türkischer NGOs auf der Istanbuler Prinzeninsel Büyükada fest. Im Oktober wurde Anklage gegen den Berliner erhoben, Mitgliedschaft in einer Terrororganisation lautete der Vorwurf, Strafmaß: 15 Jahre Haft. Wenige Tage nach Prozessbeginn wurde Steudtner, angeblich nach einer Geheimunter redung auf Regierungsebene, gegen Kaution freigelassen.


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Die Schriftstellerin Aslı Erdoğan fiel im August 2016, wenige Wochen nach dem vereitelten Staatsstreich, aufgrund ihrer Kolumnen in der prokurdischen Zeitung Özgür Gündem im Zuge einer Verhaftungswelle den Behörden in die Hände. Im November forderte die Istan buler Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Mitgliedschaft und Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK lebenslange Haft für die schwerkranke Literatin. Im Dezember 2016 wurde sie überraschend freigelassen, erhielt Monate später ihren Pass zurück und lebt heute im Frankfurter Exil.

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Vorige Woche schließlich hat ein Gericht in Istanbul den ehemaligen Chef der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, einmal mehr zu einer Haftstrafe verurteilt, diesmal wegen Terrorpropaganda während einer Rede 2013. Seit seiner Verhaftung im November 2016 wurde er schon wegen der Delikte Beleidigung des Präsidenten und der Nation sowie wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft verurteilt. Demirtaş galt lange als große Hoffnung der türkischen Opposition, als HPD-Kandidat erreichte er bei der Präsidentschaftswahl 2014 mit fast zehn Prozent den dritten Platz. (Florian Niederndorfer, 12.9.2018)

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