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Die Sozialversicherungsreform ist auch ein Kräftemessen zwischen Türkis-Blau und den rot-schwarzen Funktionären in den Ländern und den Krankenkassen.

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Sogar die schwarzen Länder waren zuletzt etwas unrund. Auch wenn die Regierung ihren Gesetzesentwurf zur Reform des Sozialversicherungssystems bereits fertig hatte, wurden sie über die Details im Dunkeln gelassen. Am Mittwoch gab es nun eine Aussprache zwischen ÖVP-Klubobmann August Wöginger und den schwarzen Landesgesundheitsreferenten.

Offizielle Stellungnahmen der Landespolitiker gab es danach nicht. Wie es in Verhandlerkreisen heißt, sorgen derzeit aber vor allem machtpolitische Fragen für Irritationen.

Selbstverwaltung

De Regierung hat den Sozialpartnern im Mai beim Ministerratsbeschluss grundsätzlich zugesagt, dass an der Selbstverwaltung festgehalten wird. Die Gremien der Sozialversicherung sollen also weiter aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerfunktionären bestehen.

Allerdings, und das ist neu in dem nun übermittelten rund 50-seitigen Entwurf: Türkis-Blau will ein Rotationsprinzip für die Funktionäre in der neuen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) einführen. In relativ kurzen Abständen (weniger als ein Jahr) müssten also Arbeiter- und Wirtschaftskammer ihre Mitglieder austauschen.

Schwierige Funktionärssuche

Kritiker fürchten nun, dass es schwierig werden könnte, überhaupt Funktionäre zu finden, und dass diese auch schlecht eingearbeitet sein könnten, wenn sie nach wenigen Monaten wieder ersetzt werden. Das dürfte aber, so ein hinter vorgehaltener Hand geäußerter Verdacht, Absicht sein. Je schwächer die Selbstverwaltung ist, desto stärker könnte ein von der Politik gesteuerter Direktor agieren.

In der ÖGK sollen jedenfalls, wie berichtet, die neun Gebietskrankenkassen aufgehen. Letztere würden also deutlicht entmachtet. Budget- und Personalhoheit läge bei der ÖGK. Innerhalb der Selbstverwaltung käme es zu einer Machtverschiebung. Derzeit sind die GKKs arbeitnehmerdominiert. Künftig sollen Arbeitnehmer und -geber gleich viele Mandate stellen.

Konservative Mehrheit

Da es aber auch ÖVP-nahe Arbeitnehmer gibt, hätten die Schwarzen bzw. die Türkisen jedenfalls eine Mehrheit. Die FPÖ wird in diesen Gremien kaum eine Rolle spielen. Erwartet wird daher, dass den Blauen Nahestehende bei anstehenden Direktorenbesetzungen (ÖGK, Pensionsversicherung, AUVA) zum Zug kommen.

Die Funktionäre in den zu Landesstellen degradierten Gebietskrankenkassen hätten künftig kaum mehr etwas zu sagen. "Das ist die größte Zentralisierung der Zweiten Republik", formuliert es ein Verhandler.

Beitragseinhebung bleibt bei Sozialversicherung

ÖVP-Klubchef Wöginger verkündete am Mittwoch immerhin, dass man den Ländern insofern entgegenkomme, als die Einhebung der Beiträge weiter durch die Sozialversicherung und nicht die Finanz erfolgen werde. Das hatte er zwar bereits im Mai erstmals kundgetan, damals war er aber noch von Kanzler Sebastian Kurz zurückgepfiffen worden. Die Beitragsprüfung soll aber, daran hält Türkis-Blau fest, künftig allein bei der Finanz liegen. Auch dagegen hatte es bereits heftige Kritik der Gebietskrankenkassen gegeben.

Versprochen wurde den Landespolitikern auch mehrfach, dass die vorhandenen Rücklagen der GKKs in den Ländern bleiben sollen. Wirklich von Relevanz ist das eigentlich nur in Oberösterreich und Salzburg. Aber auch für diese Länder gilt: Sind die Rücklagen aufgebraucht, gibt es nur noch die zentrale Budgetsteuerung durch die neue ÖGK.

Hauptverband: Klar entmachtet würde auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, dessen Aufgaben (etwa der zentrale Medikamenteneinkauf) zum Teil an andere Träger übertragen würden.
Länder und Sozialversicherungsverhandler versuchen nun noch Änderungen bei den Entwürfen zu erreichen. Voraussichtlich wird das Gesetz aber bereits Ende dieser oder Anfang nächster Woche in Begutachtung geschickt. (Marie-Theres Egyed, Günther Oswald, 12.9.2018)