Die 23-jährige Tash Sultana produziert handgemachten Pop für junge Hippies.

Foto: Sony

Wien – Das neueste Wunderkind des Pop ist eine 23-jährige Straßenmusikerin aus Australien. Ihr selbstproduziertes Musikvideo zum Song Jungle hält auf Youtube bei derzeit gut 40 Millionen Clicks. Die Konzerte ihrer Europatournee durch mittlere Hallen, die sie nicht nach Österreich führen wird, weil hiesige Veranstalter nicht so gern Künstler buchen, die noch nicht vier- oder fünfmal beim Frequency aufgetreten sind, sind restlos ausverkauft. Und dies, obwohl gängige Vermarktungsmuster in ihrem Fall ungefähr so ähnlich greifen wie bei ihrem vergleichbaren männlichen Kollegen Ed Sheeran, nämlich gar nicht.

Tash Sultana mit ihrem Song "Jungle".
Tash Sultana

Der Vergleich mit Ed Sheeran muss sich dabei im Wesentlichen auf die Livepraxis beschränken. Beide Künstler arbeiten allein ohne Band und mit Loop-Stations. Sie bauen auf live eingespielten Gitarrenspuren und vorgefertigten Drum-Patterns auf, die die ganze Sache wie eine von einer ganzen Mannschaft von Studioingenieuren produzierte Breitwand-Popproduktion klingen lassen. Wo aber Ed Sheeran im Holzhacker-Franzbranntwein-Look mitunter gern mit US-Stars wie Beyoncé oder Eminem zusammen im Studio werkelt, betont Tash Sultana ihr autarkes Wirken.

Mit Straßenmusik zum Welterfolg

Ihre Biografie ist im Gegensatz zu jener des verhaltensunauffälligen Ed Sheeran bestens für eine Verbreitung in den sozialen Medien geeignet. Die Vergangenheit als rauschgiftabhängiger Teenie, der sich mit Musik aus dem Sumpf gezogen hat, um mit gefälschtem Pass, weil zu jung, Straßenmusik daheim in Melbourne zu machen, ist, zynisch gesagt, für das lange erwartete erste Album Tash Sultanas recht nützlich.

"Free Mind" von Tash Sultanas Debütalbum "Flow State".
Tash Sultana

Nach ihrer mittlerweile mehr als 175 Millionen Mal gestreamten EP Notion erweisen sich die Songs auf Flow State als weiterer Schritt hin zur perfekt für ein breites Publikum funktionierenden Unterhaltungsmaschine. Laut eigener Aussage gibt sich Tash Sultana mit kräftiger Stimme und insgesamt 15 von ihr auf Flow State verwendeten Instrumenten auch stilistisch breit aufgestellt. Beeinflusst von Leuten wie Carlos Santana, Phil Collins, zeitgenössischem R 'n' B und Richtung gefälliger Hitparaden-Sound schielendem Sonnenschein-Reggae, weiß Tash Sultana um die Wirkung möglichst schnell beim Laufpublikum auf der Straße einschlagender Melodien.

Dass die Songs allerdings dann wie in Jungle oder Blackbird auch schon einmal bis zu zehn Minuten dauern können und sich in den Intros – trotz geringer Aufmerksamkeitsspanne im Pop – einige Minuten lang erst einmal wenig tut, bevor der für die Charts zwingend notwendige Gesang einsetzt, ist ein Kuriosum. Ebenso Tash Sultanas Neigung, ihre Lieder mit minutenlangen Gitarrennudeleien im Geiste des Hardrock zu behübschen.

Tash Sultana live beim Lollapalooza-Festival.
Franco Luna Pavez

Tash Sultana trifft damit den Geschmack eines durchaus auch sehr jungen Publikums zwischen Hippie-Retrolook und nicht ganz so hippem Zeug vom Fetzenschweden. Der Sound der Freiheit und der Selbstermächtigung hat zwischendurch noch immer Saison. Spätestens 2019 live beim Großraum-Open-Air Ihres Vertrauens. (Christian Schachinger, 12.9.2018)