Ist es sinnvoll, eine Steuer für Digitalunternehmen zu entwerfen? Die EU-Kommission sagt Ja, Frankreich unterstützt den Plan. Widerstand gibt es in Berlin.


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Es war nur eine kurze Erklärung vom Bund der deutschen Industrie (BDI). Vergangene Woche teilte der BDI mit, dass er sich gegen die "Einführung einer Digitalsteuer" in Europa ausspricht. Die Steuer würde "mehr Schaden als Nutzen" bringen, Deutschland solle das Vorhaben nicht länger unterstützen.

Mit der Digitalsteuer sollen große IT-Unternehmen wie Google, Facebook, Airbnb und Uber in Europa künftig effektiver besteuert werden. In vielen EU-Ländern zahlen die genannten Konzerne keine oder so gut wie keine Abgaben auf ihre Gewinne. Legendär ist der Steuersatz von 0,0005 Prozent, den Apple jahrelang auf seine Profite in der EU berappt hat.

Berlin skeptisch

Deutsche Industrieunternehmen sprechen sich also gegen die Digitalsteuer aus, obwohl diese gar nicht für sie gedacht ist. Die Skepsis hat inzwischen auch die Bundesregierung in Berlin ergriffen. Das wurde beim Treffen der EU-Finanzminister vergangene Woche in Wien offensichtlich.

Neben den kleinen Staaten wie Irland und Malta, deren Modelle darauf aufbauen, sich für global tätige Konzerne als Niedrigsteuerländer anzubieten, wirkte auch Deutschland plötzlich wenig begeistert von der Digitalsteuer. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) warnte in Wien vor Schnellschüssen und betonte ansonsten nur, wie komplex das ganze Thema sei.

Was aber fürchten die Deutschen, deren Wort in den europäischen Debatten so viel Gewicht hat? Die Antwort auf diese Frage verrät viel darüber, warum es in Europa schwierig wird, bei einer Digitalsteuer voranzukommen.

Digitaler Umbruch

Im internationalen Steuerrecht dominiert seit mehr als 100 Jahren das Grundprinzip, wonach Waren und Dienstleistungen dort besteuert werden sollen, wo sie hergestellt werden. Es gibt mehrere Regeln, mit denen dies sichergestellt wird. So gilt, dass Gewinne eines Unternehmens nur dann besteuert werden dürfen, wenn es in einem Land physisch präsent ist – in Form einer Betriebsstätte. Andererseits dürfen sich Konzerne für Waren und Dienstleistungen intern Kaufpreise verrechnen. Auch mit dieser Methode können Gewinne verschoben werden.

Ein Beispiel: Wenn BMW Autos in Argentinien verkauft, erwirbt der argentinische BMW-Ableger die Fahrzeuge aus Deutschland. Das heißt, der Kaufpreis und letztlich der Gewinn wird dem Mutterkonzern in Deutschland gutgerechnet und dort besteuert.

Die deutsche Industrie und die Beamten im Berliner Finanzministerium fürchten, dass eine Digitalsteuer der Auftakt zu einer globalen Systemumstellung sein wird. Um zu verstehen, warum, muss man sich vor Augen führen, wie die Digitalsteuer funktioniert.

Drei-Prozent-Steuer geplant

Die EU-Kommission schlägt in einem ersten Schritt vor, eine Steuer in der Höhe von drei Prozent auf Onlineumsätze einzuheben. Dabei geht es um Umsätze aus dem Verkauf von Werbung, was Google und Facebook treffen würde. Zugleich sollen Umsätze aus Vermittlertätigkeiten wie bei Airbnb und Uber betroffen sein.

Diese Steuer würde aber nicht dort eingehoben werden, wo die Konzerne ihre Leistung herstellen. Die Google-Patente sind in den USA und auf den Bermudas registriert. Die Technologie entwickelt Google im kalifornischen Mountain View. Vielmehr fällt die Digitalsteuer im Land an, in dem der Konsument sitzt.

Zu demselben Ergebnis führt auch, wenn man Google verpflichten würde, eine digitale Betriebstätte einzurichten. Das Unternehmen müsste dann in Österreich eine Körperschaftssteuererklärung abgeben so wie andere Betriebe. Aber auch hier würde die Besteuerung beim Konsumenten anknüpfen. Kein Land der Welt erwirtschaftet derzeit mehr Einnahmen aus Exporten als Deutschland. Die Bundesrepublik profitiert davon, dass Gewinne ihrer Industrieunternehmen in Wolfsburg und München landen und nicht in Buenos Aires und Peking. Im Finanzministerium von Olaf Scholz ist die Angst, dass eine Reform in der EU Begehrlichkeiten in anderen Staaten wecken würde. Es existiert kein natürlicher Grund, warum Gewinne dort besteuert werden sollen, wo Produkte hergestellt werden. Im Gegenteil: Gerade Staaten ohne starke Exportwirtschaft könnten argumentieren, dass sie es nicht länger hinnehmen wollen, dass Kaufkraft unbesteuert abfließt.

Die Grenze fließt

Die deutsche Industrie argumentiert weiters, dass digitale Produkte ein immer weiteres Feld sind. So gibt es Windparks in China, die aus Deutschland ferngesteuert werden. Viele Maschinen holen Informationen von Kunden weltweit automatisiert ein und leiten die Daten an die Firmenzentrale weiter. "Die Grenze zwischen digitalen und nichtdigitalen Produkt verläuft zunehmend fließend", sagt der Linzer Steuerexperte und Uniprofessor Georg Kofler. Was, wenn Länder zu argumentieren beginnen, dass nicht nur Google, sondern auch Siemens und VW im Grunde digitale Dienstleistungen anbieten?

Aus diesen Erwägungen sind auch exportstarke nordischen Länder wie Schweden gegen eine Digitalsteuer. Verkompliziert wird die Debatte durch US-Präsident Donald Trump. Ein Eingriff der Europäer bei Google könnte das Weiße Haus veranlassen zurückzuschlagen – auch hier hätte Deutschland viel zu verlieren.

USA als Vorreiter

Somit wird nun an einer alternativen Lösung gebastelt. Nach der Steuerreform unter dem US-amerikanischen Präsidenten Trump gilt in den USA seit 2018, dass Auslandstöchter von US-Firmen in den USA steuerpflichtig werden, und zwar dann, wenn diese Gesellschaften im Ausland so gut wie keine Steuern zahlen. Die Regelung ist komplex, soll aber dafür sorgen, dass Unternehmen ihrer Gewinne nicht voll in Steueroasen verlagern, indem sie Lizenzgebühren für die Nutzung von Patenten ins Ausland zahlen. Diese Lösung würde für Österreich bedeuten, dass Google und Co weiter steuerfrei im Inland operieren können. Deshalb befürwortet das Finanzministerium in Wien eine europaweite Abgabe auf Onlinewerbung, womit ein Teil der Einnahmen der IT-Giganten erfasst wäre. (András Szigetvari, 11.9.2018)