Englisch lässt sich leichter als Deutsch erlernen. Aber Deutschkenntnisse könnten bald Voraussetzung für die volle Mindestsicherung in Österreich werden.

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Wien – Nachdem mit September der Zwölfstundentag Realität wurde, dreht die Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik an den nächsten Stellschrauben. Mitte September plant Türkis-Blau einen Jobgipfel. Mit Unternehmen und Sozialpartnern sollen Maßnahmen erdacht werden, die rund 100.000 Beschäftigungslosen zu einem Job verhelfen.

Im Fokus der Regierung stehen dabei junge Arbeitslose sowie Ausländer ohne Job. Geplant ist etwa, den Bezug der vollen Mindestsicherung an Deutschkenntnisse zu koppeln. Wer nicht ausreichend gut Deutsch spricht, müsse demnach mit Kürzungen rechnen. Dadurch soll für ausländische Arbeitslose ein Anreiz entstehen, die Sprache schneller und besser zu lernen – und sich somit besser für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Beim Arbeitsmarktservice (AMS) waren im August 109.441 Ausländer als arbeitslos gemeldet, darunter mehr als 30.000 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte.

Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit

Das Sozialministerium wollte noch keine Details zu Termin und Agenda des Gipfels preisgeben. Die Sozialpartner erfuhren über die Medien von den Plänen der Regierung – zeigen sich aber gesprächsbereit.

Beim AMS gab man sich zunächst zurückhaltend. Man wolle mit einer Stellungnahme warten, bis konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen. Noch im Lauf dieser Woche wird eine Entscheidung zum AMS-Budget 2019 erwartet. An diesem könne man laut Arbeiterkammer (AK) ablesen, wie ernst es der Regierung mit der Job-Offensive sei. Dass sich die Regierung der Beschäftigung von jungen Menschen widmen will, begrüßt die AK. Neue Anreize einen Job zu ergreifen, seien jedoch zu wenig. Es brauche Investitionen in die Ausbildung und eine Ausbildungsgarantie bis 25, sagte eine AK-Sprecherin.

Überregionale Vermittlung

Wer am Anfang der Erwerbskarriere keinen Job findet, sei besonders gefährdet, ein Leben in Arbeitslosigkeit zu fristen, warnte auch Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer (WKO). Wichtig sei, dass Arbeitslose auch überregional vermittelt werden. "Es gibt in Österreich viele Anreize zur Nichtarbeit", sagte Gleitsmann. Diese müsse man abbauen. "Geldleistungen, die ein Leben lang bezogen werden können, gibt sonst nirgends in der EU."

Höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten forderte hingegen Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida. Oft seien unattraktive Arbeitsbedingungen der Grund, weshalb offene Stellen unbesetzt bleiben. Daran würden Kürzungen bei Sozialleistungen auch nichts ändern.

Die Regierung sieht Handlungsbedarf, weil sich Nachfrage und Angebot am Arbeitsmarkt trotz guter Konjunktur nicht treffen. Heimische Unternehmen beklagen rund 160.000 fehlende Fachkräfte, beim AMS waren im August rund 80.000 offene Stellen gemeldet. Dem stehen knapp 345.000 Arbeitslose gegenüber. Laut Ökonomen hat die Regierung mit der Joboffensive das richtige Timing erwischt. IHS-Chef Martin Kocher hofft auf "zusätzliche Konjunkturimpulse". (Aloysius Widmann, 10.9.2018)