Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

Foto: Jana Madzigon

Fast jede zehnte Familie in Österreich ist eine sogenannte Patchworkfamilie. Das bedeutet, dass zumindest ein Partner Kinder aus einer früheren Ehe oder Lebensgemeinschaft in die neue Beziehung mitgebracht hat. In vielen Fällen bekommt das Paar dann zusätzlich zu den "mitgebrachten" Kindern auch noch ein gemeinsames Kind. In solchen Familienkonstellationen gibt es natürlich jede Menge Konfliktpotenzial. Der Bonuselternteil spielt zwar oft eine wichtige Rolle im Leben seiner Stiefkinder, das Verhältnis ist aber nicht immer ganz friktionsfrei. Sätze wie "Du hast mir gar nichts zu sagen" und "Du bist nicht meine Mama" kommen vielen Betroffenen sicherlich bekannt vor. Aber hat der Stiefelternteil wirklich nichts zu sagen?

Rechte und Pflichten

Auch wenn kein Verwandtschaftsverhältnis besteht, hat der Bonuselternteil eine gewisse Mitverantwortung. Er ist gesetzlich dazu verpflichtet, die Kinder seines Partners vor Gefahren zu schützen. Dies gilt bei alltäglichen Gefahrensituationen und natürlich umso mehr in Fällen von häuslicher Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung der Kinder. Wer hier tatenlos zusieht, nur weil es sich nicht um seine eigenen Kinder handelt, macht sich selbst strafbar.

Im Falle einer neuerlichen Eheschließung trifft den neuen Ehepartner außerdem eine sogenannte Beistandspflicht. Er muss den leiblichen Elternteil bei der Pflege und Erziehung der in die Ehe mitgebrachten Kinder unterstützen. Der Bonuselternteil ist daher dazu verpflichtet, die Kinder aus einer früheren Beziehung im gemeinsamen Haushalt wohnen zu lassen, sie, wenn nötig, zu beaufsichtigen und im Krankheitsfall zu pflegen oder mit ihnen zum Arzt zu gehen. Eine Verletzung der Beistandspflicht kann unter Umständen sogar ein Scheidungsgrund sein.

Vertretung nur in Notfällen

Eine gemeinsame Obsorge von Stiefelternteil und leiblichem Elternteil ist im Gesetz allerdings nicht vorgesehen. Nur wenn der obsorgeberechtigte Elternteil verhindert ist und sofort gehandelt werden muss, kann der Stiefelternteil die Kinder seines Partners in Angelegenheiten des täglichen Lebens vertreten. Er darf dann etwa im Mitteilungsheft unterschreiben, an Elternsprechtagen teilnehmen, in alltägliche medizinische Eingriffe einwilligen oder das Kind vom Kindergarten oder der Schule abholen. Gegenüber dem Kind kann er beispielsweise die Schlafenszeit oder die Freizeitgestaltung bestimmen. Für solche Vertretungshandlungen in Notfällen ist keine eigene Vollmacht nötig. Der Bonuselternteil muss sich dabei aber immer am Willen des obsorgeberechtigten Elternteils orientieren.

Was viele nicht wissen: Seit einigen Jahren können Stiefeltern auch Pflegeurlaub nehmen, wenn sie die im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder ihres Ehegatten oder Lebensgefährten pflegen müssen. Daneben gibt es noch einige gesetzliche Sonderregelungen für Patchworkfamilien, etwa die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung oder die Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

Weder Unterhalt noch Erbe

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung haben Stiefkinder aber weder einen Unterhaltsanspruch noch ein Erbrecht. Das gilt auch dann, wenn der leibliche Elternteil den Stiefelternteil heiratet. Beim Tod eines Stiefelternteils haben daher nur seine leiblichen Kinder und sein Ehegatte ein gesetzliches Erbrecht. Wer sein Stiefkind für den Todesfall absichern will, muss daher ein Testament errichten.

Unter Umständen besteht aber auch nach der Trennung noch ein Kontaktrecht. Erst vor kurzem hat der OGH dem Stiefvater eines Kindes, der die Rolle des Ersatzvaters eingenommen hatte, das Recht eingeräumt, das Stiefkind nach der Trennung von der leiblichen Mutter weiterhin zu sehen. (Carmen Thornton, 11.9.2018)