Nicht "linke", sondern "menschliche Politik" betreibt Barbara Neßler, die die Grünen wieder im Parlament sehen will.

Foto: Florian Lechner

Innsbruck – Barbara Neßlers Karriere bei den Grünen ist wahrlich kometenhaft. Im Dezember 2016 schickte die damals 25-Jährige eine E-Mail an die Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) in Innsbruck. Sie wolle sich politisch einbringen. Nur einen Monat später wurde sie als Spitzenkandidatin für die ÖH-Wahl nominiert und sitzt seitdem in der Studierendenvertretung.

Kurz darauf, im Herbst 2017, wählten sie die Innsbrucker Grünen ins Team für die Gemeinderatswahl. Neßler nutzte die Chance und zählt nun seit Juni 2018 zur Bürgermeisterfraktion von Georg Willi im Stadtparlament. Doch der Marsch durch die Institutionen ist damit für die zielstrebige Jungpolitikerin noch lange nicht vorbei. Ende August war sie eine der Organisatorinnen des grünen Next Generation Labs in Innsbruck, das die Neuaufstellung der aus dem Nationalrat gewählten Bundespartei plant.

Kogler hält große Stücke auf sie

Wenn es um die Zukunft der Grünen geht, fällt immer wieder der Name Neßler. Die Partei hält große Stücke auf sie. Bundessprecher Werner Kogler zählt sie zu den vielversprechendsten Personalreserven. Und im Team von Bürgermeister Willi ist sie eine der medialen Frontfrauen, die oft und gerne von Fotos lächelt. Mann schmückt sich mit der jungen, weiblichen Nachwuchshoffnung.

Doch die gebürtige Vorarlbergerin aus Alberschwende im Bregenzerwald will ihre steile Politikerinnenkarriere nicht als Ausdruck der dünnen Personaldecke bei den Grünen missverstanden wissen: "Wenn ich etwas mache, dann zu hundert Prozent." Ausschlaggebend für ihren Einstieg in die Politik war eine schwere Krankheit vor fünf Jahren. "Damals wurde mir klar: Wenn es jetzt vorbei ist, war alles umsonst", erinnert sie sich an die Zeit auf der Intensivstation. Sie wollte in ihrem Leben etwas Positives bewirken, daher der Entschluss, sich politisch zu engagieren.

Will nur nach vorne blicken

Es seien Grundwerte wie Feminismus und Basisdemokratie sowie der inhaltliche Fokus auf Sozial- und Umweltpolitik, die sie von den Grünen überzeugt hätten. Dass die Partei gerade bei diesen Kernthemen jüngst viel an Glaubwürdigkeit verloren hat, umschifft Neßler abgeklärt mit "Dazu kann ich nicht viel sagen, denn das war vor meiner Zeit".

Bisweilen wirkt die 27-Jährige wie ein grüner Profi der alten Schule. Etwa wenn sie von ihren Plänen für "mehr sozialökologische und feministische Politik" im Wirtschaftsausschuss der Stadt erzählt. Wobei sie den Erfolg der Innsbrucker Grünen dann doch eher daran festmacht, dass man sich im Wahlkampf darauf besonnen habe, zuzuhören: "Wir haben die Sorgen der Menschen ernst genommen." Empathiefähigkeit, die den Grünen auf Bundesebene zuletzt gefehlt habe, sagt Neßler.

"Menschlich" statt "links"

Ideologisch will sich die junge Gemeinderätin nicht festnageln lassen. Anstelle von Begriffen wie "links" bevorzuge sie "menschlich" als Attribut für ihre Politik. Dass derlei schöne Phrasen auch ÖVP und FPÖ für ihre Politik beanspruchen, lässt sie nicht gelten. Neßler sieht Innsbruck sogar als "Gegenmodell zur Bundesregierung".

Obwohl sie politisch eben erst auf der Kommunalebene durchstartet, hat sie höhere Ziele: "Im Moment bin ich für Innsbruck gewählt worden und muss hier erst einmal gute Arbeit leisten, bevor es weitergeht." Aber sie schließt dezidiert nicht aus, bereits bei der Neuaufstellung der Bundesgrünen im November ihre Politikkarriere fortzusetzen. Denn: "Wir Grünen fehlen im Nationalrat." (Steffen Arora, 10.9.2018)