Im naturhistorischen Museum Steinhardt in Tel Aviv werden mehr als 5,5 Millionen Proben von Tieren der ganzen Welt aufbewahrt.

Foto: Itai Benit

Der syrische Braunbär mit seinem zerzausten Fell und den langen Krallen hat die Ohren angelegt, er zeigt die Zähne. Dicht hinter ihm: ein Löwe. Auch der hat das Maul aufgerissen und spannt die Muskeln an. Sein Gesichtsausdruck wirkt allerdings weitaus entspannter.

Bär und Löwe in Israel? Tatsächlich lebten die beiden Tierarten einst hier. Heute findet man sie – außer im Zoo – nur noch ausgestopft im neuen Steinhardt-Museum für Naturgeschichte im Norden Tel Avivs. Es ist das erste seiner Art in Israel und zeigt auf rund 1.700 Quadratmetern mehr als 1.000 Ausstellungsstücke.

Das Museum befasst sich nicht nur mit der Naturgeschichte sowie den Lebensräumen des Landes. Es hat sich auch zum Ziel gesetzt, den Einfluss des Menschen auf die Natur darzustellen. Und der hatte unter anderem zur Folge, das einige Tierarten ausgestorben sind: Neben Bär und Löwe betrifft das zum Beispiel das Krokodil aus dem Taninim-Fluss oder den asiatischen Gepard, der zuletzt 1911 gesehen wurde.

"Wir wollten der Öffentlichkeit den Wandel der vergangenen 150 Jahre aufzeigen", sagt die Vorsitzende des Museums, Tamar Dayan. Die Zoologin und Professorin hat das Museumsprojekt in den vergangenen 22 Jahren vorangetrieben. In diesem Sommer wurde das Museum eröffnet, zunächst probeweise, seit September uneingeschränkt.

Quallen verdrängen Tiere

Eine digitale, interaktive Landkarte Israels zeigt die Veränderungen seit dem 19. Jahrhundert, vor allem durch den Einfluss des Menschen: Schließlich ist die Bevölkerung Israels von einer Million Menschen im Jahr 1950 auf heute 8,5 Millionen gewachsen.

Durch Handauflegen an verschiedenen Stationen kann die Karte verändert werden: Da öffnet sich beispielsweise der Suezkanal, durch den zigtausende Quallen vom Roten Meer in das Mittelmeer kamen. Diese Nesseltiere, die bei Berührung brennende Schmerzen auslösen, sind heute nicht nur für die Badegäste an den Stränden im Sommer eine lästige Plage. Sie haben auch das Ökosystem im Meer verändert, weil sie eine Konkurrenz für heimische Meerestiere sind, die verdrängt wurden.

Weiter nördlich, so zeigt die Karte, wird seit Jahrzehnten in großen Mengen Wasser aus dem See Genezareth abgepumpt. Die Folgen sieht man heute auch beim Besuch des Toten Meeres: Da kaum noch frisches Wasser über den Jordan einfließt, sinkt der Wasserspiegel von Jahr zu Jahr. In den salzigen Überresten bilden sich Senklöcher, die tief und damit lebensgefährlich sind. Immer wieder müssen Strände schließen.

In einem Videoclip mit dem israelischen Schauspieler Ischai Golan erfahren die Besucher, wie durch die Unmengen von Plastikmüll die Meere zerstört werden. Ein Weckruf, denn in Israel bekommen Kunden noch immer bei fast jedem Einkauf, auch im Supermarkt, kostenlos massenhaft Plastiksackerln.

Auch Einweggeschirr aus Plastik ist auf den zahlreichen riesigen Familienfesten besonders beliebt, weil es den Abwasch erspart. Es gibt in Israel sogar Geschäfte, die sich auf Einweggeschirr spezialisiert haben.

Forschungszentrum

Vor allem Stadtbewohnern mit wenig Bezug zur Natur versucht das Museum die Natur und die Lebenswelt der Tiere näherzubringen, wie und wovon sie leben, was sie brauchen und wie sie durch die Eingriffe der Menschen gefährdet werden. "Israelis sind sich weniger dessen bewusst, dass die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert die Umwelt ist. Wir verlieren Arten und Ökosysteme mit einer nie dagewesenen Schnelligkeit", sagt Tamar Dayan.

Das neue Museum ist nicht nur Ausstellungsort, sondern auch Forschungszentrum: Die Ergebnisse könnten vor allem für politische Entscheidungsträger relevant sein, die auf deren Basis in Zukunft das Management natürlicher Ressourcen gestalten könnten. "Die Welt beschäftigt sich derzeit mit biologischer Vielfalt und Erhalt, mit Ökosystemen und Umweltschutz", sagt Dayan. Sie hält auch deshalb das Timing für die Eröffnung des Museums samt Forschungsabteilung in Israel für perfekt. "Ich schätze mich glücklich, in diesen Zeiten Ökologin zu sein, denn wir befinden uns an der vordersten Front der Herausforderungen der Menschheit. Es ist ein Privileg, dieses Museum ausgerechnet jetzt errichtet zu haben." (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 6.9.2018)