Im Zuge der Restaurierung der Wiener Secession wurden auch Teile des ursprünglichen Frieses von Koloman Moser an der Rückseite rekonstruiert. Bald soll er aber wieder zerstört werden.

Foto: Robert Newald

Bröckelnder Putz, veraltete Licht- und Klimatechnik, die Kuppel mit ihrem partiell vergoldeten Blätterkleid drohte durchzurosten. "Ein Wahrzeichen Wiens verfällt": Mit diesen Worten hatte Herwig Kempinger, Präsident der Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs, Anfang 2015 den unrühmlichen Zustand der Wiener Secession kritisiert. Das ist Geschichte. Die Generalsanierung ist nun abgeschlossen und das Ausstellungshaus erstrahlt in neuem, altem Glanz – auch auf der Hinterseite, doch hier soll die frisch aufgetragene Zierde schon bald wieder zerstört werden.

Die Rückseite des Gebäudes, von zeitgenössischen Polemikern als "zur Hälfte Moschee, zur anderen Hälfte Hochofen", bezeichnet, zierte ursprünglich ein Fries von Koloman Moser: 18 ägyptisch anmutende Tänzerinnen, die aus Lorbeerblättern geflochtene Kränze schwingen. Der Lorbeer gehörte zum dekorativen Konzept von Architekt Joseph Maria Olbrich, das von der Kuppel als Baum ausgehend von anderen Wandschmuckelementen aufgegriffen wurde.

Detektivisches Unterfangen

Im Zuge der Renovierung 1907/08 (Robert Oerley) waren sowohl die Schriftzüge an der Fassade als auch der Fries entfernt worden. Die Zeilen "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit" (Ludwig Hevesi) prangen erst seit 1960 wieder über dem Eingang, "Ver Sacrum" kehrte erst in den 1980ern zurück. Im Rahmen der aktuellen Generalsanierung sollte ursprünglich Mosers Reigen der Kranzträgerinnen vollständig rekonstruiert werden – mangels Vorlagen des originalen "Mörtelschnitts" kein einfaches Unterfangen. Die detektivische Forschung in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt und dem ausführenden Restaurator begann Ende 2015.

Dass er nur mit einem "Versuchsfeld" beauftragt worden sei, erfuhr Johannes Duda dann kurzfristig im Mai 2017. Ausschlaggebend war eine Abstimmung des Vorstands, konkret hatte sich die Mehrheit der Künstler dagegen ausgesprochen. Denn angeblich passe explizit diese Rekonstruktion eines historischen Elements konzeptionell nicht zu einer zeitgenössischen Vereinigung.

ORF

Die Arbeiten am "Versuchsfeld" nahmen etwa einen Monat in Anspruch. Die Kosten inklusive aller Vorarbeiten sollen gerüchteweise bei etwa 40.000 Euro gelegen sein. Geschäftsführerin Anette Südbeck will das auf Anfrage nicht bestätigen, sie sagt nur: "Günstiger."

Nur ein Versuchsfeld

Im Herbst 2017 entschied der Verein schließlich, dass das "Versuchsfeld" wieder abgeschlagen werden muss. Warum? Das Ergebnis habe den Vorstand nicht zu 100 Prozent überzeugt, formuliert es Südbeck diplomatisch. Immerhin wird das "temporäre Musterfeld" noch ein paar Monate und über den 100. Todestag Koloman Mosers hinaus zu sehen sein. Dafür hatte sich vor allem das Bundesdenkmalamt eingesetzt.

Während des Zweiten Weltkrieges war das Ausstellungsgebäude zeitweise an einen Getreidehändler vermietet. Im Februar 1945 richtet ein Bombardement in unmittelbarer Nähe Schäden am Gebäude an, die jedoch behebbar gewesen wären. Verheerender wirkte sich eine Feuersbrunst aus. Im Souterrain hatte die deutsche Wehrmacht Reifen gelagert, die sie, zwei Tage vor dem Einmarsch der Russen, in Brand steckte. Durch die Brandhitze wurde die eiserne Dachkonstruktion verformt und stürzte in sich zusammen.
Foto: Archiv Secession

Gesamtkosten: 3,45 Millionen Euro

Der Gesamtrenovierung der Secession war ein zähes Ringen um die Finanzierung vorausgegangen, da man derlei aus Eigenmitteln nicht hätte stemmen können. Das "Erscheinungsbild des Jugendstilgebäudes" müsse "entsprechend seiner großen internationalen Bedeutung als historisches Wahrzeichen" gewährleistet sein, betonte die Vereinigung etwa auch im Prüfbericht des Stadtrechnungshofs 2016.

Die Stadt Wien und das Bundeskanzleramt sagte je eine Million Euro zu und kam auch anteilig für nachfolgende Mehrkosten (u. a. höherer Schadensgrad, Brandschutztechnik) auf. Die öffentliche Subvention beläuft sich auf 2,4 von den 3,45 Millionen Euro Gesamtkosten. Den Rest finanzierte die Secession, unterstützt vom Freundeverein, der Vienna Secession American Foundation und dem Stadterweiterungsfonds.

Vergoldungsaktion

Hinzu kam der Erlös der Aktion "Vergolden Sie die Kuppel: 100 Euro pro Blatt" – laut dem Protokoll der Vorstandssitzung von Ende Mai soll sie mit "über 140.000 Euro äußerst erfolgreich" verlaufen sein. Vergolden ist hier symbolisch gemeint. Das Auftragen von Blattgold war nur den Kugeln (Knospen) und einem streifenartigen Dekor auf den Ocker lackierten Blättern vorbehalten. Dabei orientierte man sich an historischen Quellen. Joseph Maria Olbrich hatte 1898 bewusst auf ein flimmerndes Spiel der Tonwerte (Lackierung) und Glanzlichter (Gold) gesetzt, die eine lebendigere Wirkung ergaben als vollflächige Vergoldung.

Restaurator Johannes Duda weigert sich übrigens, die geplante Zerstörung der rekonstruierten Kranzträgerinnen an der Rückseite der Secession selbst vorzunehmen. Ob er Privataufträge von Koloman-Moser-Fans annehmen würde? Jederzeit. Kostenpunkt? Das komme auf die Beschaffenheit des Untergrunds an, exklusive dieser Arbeiten kalkuliert er 3000 Euro je Tänzerin. (Olga Kronsteiner, 5.9.2018)