Moskau – In der Nacht auf vergangenen Donnerstag kam es auf der Sojuskapsel MS-09, die derzeit am Rassvet-Modul der Internationalen Raumstation (ISS) angedockt ist, zu einem rätselhaften Vorfall: Ein rund zwei Millimeter kleines Loch war in der Hülle des Raumfahrzeugs entstanden und sorgte für einen vorübergehenden Druckverlust.

Die Kosmonauten Oleg Artemyew and Sergei Prokopyew konnten das Leck mit in Epoxy-Kleber getränktem Gewebe abdichten. Es habe keine Gefahr für die ISS-Besatzung bestanden – die Crew wurde für die Reparatur nicht einmal vorzeitig geweckt, berichtete die Nasa nach der Episode.

Im oberen Teil der Sojus-MS-09-Kapsel (links) entstand in der Nacht auf Donnerstag ein Loch.
Foto: Nasa

Was die Beschädigung verursacht hat, ist weiterhin unklar. Die russische Raumfahrtorganisation Roskosmos hielt zunächst den Einschlag eines Mikrometeoriten oder eines Weltraummüllfragments für plausibel. Auch über einen Produktionsfehler an dem Raumfahrzeug wurde spekuliert.

Menschliches Versagen wahrscheinlich

Aktuelle Berichte aus Moskau scheinen nun tatsächlich auf menschliches Versagen als Grund für das Loch hinzudeuten: "Vermutlich hat eine unsichere Hand das Leck bewirkt", sagte Roskosmos-Leiter Dmitri Rogosin am Montag. Das Loch an der Innenseite der Kapsel scheint bereits durch den technischen Fehler eines Spezialisten auf der Erde entstanden zu sein.

Dem Vernehmen nach gibt es Spekulationen, dass ein Techniker mit einem Bohrer abgerutscht sei und das Leck heimlich abgedeckt habe. Das Material habe sich nach einigen Wochen jedoch aufgelöst, zitierten russische Medien einen anonymen Raumfahrtexperten. Auch die Möglichkeit dass der Schaden absichtlich oder versehentlich von jemanden im Weltraum verursacht wurde, werde laut Roskosmos untersucht. In Moskau soll eine eigene Kommission nach der Ursache suchen. Dabei soll geprüft werden, wer Zugang zu der Kapsel hatte, an ihr arbeitete und wer dies überwachte, teilte Roskosmos mit.

Die Theorie, dass ein Mikrometeorit das Loch verursacht hat, wurde dagegen mittlerweile widerlegt. "Wir schließen diese Variante aus. Die Einwirkung auf die Verkleidung ist von innen heraus entstanden", sagte Rogosin laut Agentur Tass.

Alle Sojus-Kapseln sollen geprüft werden

Als Folge des Vorfalls will Moskau nun alle Raumschiffe für die Internationale Raumstation (ISS) auf mögliche Mängel untersuchen. Spezialisten sollen in den kommenden Tagen am russischen Weltraumbahnhof Baikonur die Kapseln für bemannte und unbemannte Flüge kontrollieren, teilte der Raketenbaukonzern Energija in Moskau der Agentur Ria Nowosti am Dienstag mit. An Bord der ISS befinden sich zurzeit sechs Raumfahrer, unter anderem der deutsche Astronaut Alexander Gerst. (red, APA, 4.9.2018)