Wegen eines starken Anstiegs bei angezeigten Vergewaltigungen will die Bundesregierung die Mindeststrafen erhöhen – damit es keine bedingten Haftstrafen mehr gibt und jeder Täter Zeit absitzen muss. Das mag populär sein. Aber es ist falsch, grundfalsch.

Zum einen schrecken härtere Strafen sexuelle Gewalttäter nicht ab, weil diese nur selten das Risiko berechnen. Zum anderen schränken höhere Mindeststrafen den Spielraum der Richter ein, in ihrem Urteil alle Tatumstände zu berücksichtigen. Es kann auch bei Vergewaltigungsdelikten Einzelfälle geben, bei denen eine bedingte Haftstrafe angemessen ist. Und wenn ein Richter ein zu mildes Urteil fällt, etwa weil er sexuelle Gewalt für ein Kavaliersdelikt hält, dann gibt es Berufungsgerichte, die den Fehler korrigieren.

Die katastrophalen Folgen immer strengerer Mindeststrafen kann man in den USA beobachten, wo seit den 1980er-Jahren für zahlreiche Delikte lange Haftstrafen vorgeschrieben sind. Bis heute sind Richter dazu gezwungen, gegen besseres Wissen viel zu harte Urteile zu fällen.

In Österreich ist eher damit zu rechnen, dass es zu mehr Freisprüchen kommt, was gar nicht im Sinne der Erfinder ist. Wenn die Regierung ein Signal gegen sexuelle Gewalt aussenden will, dann soll sie die Höchststrafen anheben; das schreckt noch eher ab. Aber die nun geplante Reform ist ein Schritt zu einer Justiz, bei der Volkes Stimme das Strafausmaß bestimmt und nicht ein unabhängiges Gericht. (Eric Frey, 2.9.2018)