Maria Vassilakou hat ihren Rückzug angekündigt. Angezählt ist sie in Wahrheit bereits seit der Wien-Wahl 2015.

Foto: Heribert Corn

Die Entscheidung war längst überfällig. "Ich komme gleich zur Sache, ich kandidiere nicht mehr", lauteten Maria Vassilakous Worte am Sonntag. Dass die Wiener Vizebürgermeisterin, seit 14 Jahren an der Spitze der Wiener Grünen, noch einmal in den Ring steigen würde, um als Nummer eins zu kandidieren, glaubte kaum noch jemand. Und trotzdem irritiert der Vorgang: Warum hatte sich die Verkehrsstadträtin nicht bereits früher zu Wort gemeldet? Seit Wochen wurde über ihre Zukunft spekuliert. Die Übergabe läuft nun alles andere als geordnet ab, auch wenn Vassilakou das Gegenteil behauptet. Den Wiener Grünen droht ein auf offener Bühne ausgetragener Kampf um die Nachfolge. Einen logischen Nachfolger hat Vassilakou nicht aufgebaut.

Keine Aufbruchstimmung

Der Prozess der Neuaufstellung für die nächste Wien-Wahl, die planmäßig 2020 stattfinden wird, spulten die Grünen bis dato zwar brav runter, Euphorie oder gar Aufbruchstimmung ist jedoch keine zu spüren. Zwei Kandidaten haben sich offensiv in Stellung gebracht. Die Nichtäußerung Vassilakous schwang wie ein Damoklesschwert über der Partei und verunmöglichte jede Neuorientierung. Dabei wäre diese bitte nötig. Ist der angekündigte Rückzug nun der Befreiungsschlag? Es ist den Grünen zu wünschen. Die kommende Wien-Wahl ist nicht nur für die Wiener Partei entscheidend. Es geht auch um die Bundespartei, die seit dem Rausfliegen aus dem Parlament noch immer in den Seilen hängt. Ein starkes Ergebnis der Grünen bei den kommenden Wiener Gemeinderatswahlen wäre auch auch lebensrettendes Signal für die Mutterpartei.

Vassilakou ist in Wahrheit bereits seit der Wien-Wahl 2015 angezählt. Sie hatte angekündigt, bei Verlusten zurückzutreten. Dass sie dies dann aber nicht tat, obwohl die Partei ein Minus einfuhr, kostete sie die Glaubwürdigkeit. Im vergangenen Jahr war sie mit heftiger interner Kritik in Sachen Hochhausprojekt am Heumarkt konfrontiert. Vassilakou trieb das Projekt weiter voran, obwohl sich die Mehrheit der grünen Basis gegen die Errichtung des 66-Meter-Turms aussprach.

Vassilakou hat wichtige Akzente gesetzt

Dass die Übergabe nun eher holprig ist, schmälert im Übrigen nicht Vassilakous politische Arbeit. Vor allem in der ersten Phase der rot-grünen Koalition ab 2010 gelang es der Politikerin, wichtige Akzente zu setzen. Selbst Wiens neuer Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der nicht unbedingt als bedingungsloser Freund der Grünen gilt, ließ sich kürzlich zu der Aussage hinreißen, Vassilakou werde unter ihrem Wert geschlagen.

Zu ihren erfolgreichsten Projekten zählen mit Sicherheit die Einführung des 365-Euro-Jahrestickets und die – trotz anfänglicher massiver Kritik – Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Fußgänger- und Begegnungszone. Eine schwere Niederlage hingegen ist der Beschluss zum Bau des Lobautunnels durch das Naturschutzgebiet.

Bei Vassilakous potenziellen Nachfolgern – Frau hat sich bisher keine in Stellung gebracht – fehlt noch die Zuordnung. Klubobmann David Ellensohn arbeitet derzeit an der Aufarbeitung des Skandals rund um das Krankenhaus Nord. Man kann davon ausgehen, dass er mit dem Koalitionspartner SPÖ auch abseits davon tendenziell auf Konfrontationskurs gehen wird. Gemeinderat Peter Kraus will vor allem die jüngere Zielgruppe ansprechen, und ihm ist aufgrund seiner Rolle als ehemaliger Büroleiter Vassilakous deren Unterstützung wohl gewiss. Sie haben nicht viel Zeit, sich thematisch hervorzutun, um im Wettlauf der Aufmerksamkeit nicht unterzugehen. Vassilakou hingegen polarisierte stets. Das war ihre größte Schwäche und Stärke zugleich. (Rosa Winkler-Hermaden, 2.9.2018)