Kim Won-soo, Ban Ki-moon und Michael Reiterer in Alpbach.

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Große Gesten bereiten eher selten Schwierigkeiten. Die ergeben sich in der Regel erst aus den dazugehörigen Details. Genau deswegen bleiben die Dinge auch im Korea-Konflikt kompliziert: Seit dem bombastisch inszenierten Gipfeltreffen im Frühsommer zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un in Singapur sind Diplomaten und Militärs mit dem "Follow up" zu der dort getroffenen Vereinbarung beschäftigt. Mit vorerst eher bescheidenem Erfolg, wie die jüngsten Nachrichten belegen.

US-Außenminister Mike Pompeo hätte diese Woche eigentlich zu Verhandlungen nach Pjöngjang fahren wollen. Trump allerdings sagte die Reise per Tweet ab, weil er nicht das Gefühl habe, dass es "genügend Fortschritte bei der Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel" gebe. Ebenfalls via Kurznachrichtendienst beharrte der Präsident dann aber auf der Streichung von gemeinsamen Manövern der US-Streitkräfte mit Südkorea, die sein Verteidigungsminister James Mattis tags zuvor noch angekündigt hatte. Auch mit dem anderen Schlüsselspieler, China, lagen sich die USA wegen dessen Handelstätigkeit mit Nordkorea in den Haaren.

Die Schwierigkeiten ergeben sich im Wesentlichen aus zwei jeweils unterschiedlichen Lesarten der Singapurer Vereinbarung, in der Kim und Trump unter anderem "friedliche und prosperierende Beziehungen" zwischen den beiden Ländern, einen Friedensvertrag und die "vollständige Denuklearisierung" für die Halbinsel beschlossen haben.

Pjöngjang will zuerst mit Punkt eins – Frieden und Prosperität – beginnen, Washington mit dem Abbau der Nukleararsenale. Uneinigkeit zwischen Amerikanern und Nordkoreanern besteht außerdem darüber, was denn "vollständige, nachvollziehbare und irreversible Denuklearisierung" bedeuten soll. Die USA wollen eine komplette Abrüstung. Die Nordkoreaner scheinen schon einen Teststopp als ausreichend zu erachten.

Entsprechend zurückhaltend äußerten sich auch die Experten zuletzt beim Korea-Morning Briefing des STANDARD in Alpbach über den Fortgang der Dinge auf der Halbinsel: "Wir haben einen Prozess, aber wir sind noch weit entfernt von Lösungen", erklärte der österreichische Diplomat Michael Reiterer, der derzeit EU-Botschafter in Korea ist.

Der koreanische Diplomat Kim Won-soo, er war bei den Vereinten Nationen die rechte Hand von Generalsekretär Ban Ki-moon und zuletzt Hoher Beauftragter der UN für Abrüstung, sagte in Alpbach: "Wir sind an einer kritischen Weggabelung: Die Erwartungen sind hoch, aber schon die technischen Details schwierig zu lösen. Die grundlegende Herausforderung ist, wie wir Frieden und Denuklearisierung zusammenbringen."

Atom- und Chemiewaffen

Für beide Herren ist Diplomatie der einzige gangbare Weg zur Konfliktlösung. Alle militärischen Optionen sind, auch wenn sie insbesondere von den USA unter Donald Trump gerne auf den Tisch gelegt werden, im besten Fall katastrophal. Amerikanische Militäranalysten prognostizieren, dass es im Kriegsfall in Seoul – in der südkoreanischen Hauptstadt lebt etwa die Hälfte aller Südkoreaner, sie liegt nur wenige Dutzend Kilometer von der Waffenstillstandslinie entfernt und ist also in Reichweite der nordkoreanischen Artillerie – in den ersten drei Tagen eines Krieges eine Million Todesopfer geben würde. Zudem haben die Nordkoreaner neben Atomsprengköpfen große Bestände an chemischen und biologischen Kampfstoffen – und vor allem auch die Trägersysteme, diese auch in der Region und darüber hinaus zu verschießen.

Die Karten sind für Kim Jong-un also gut, solange er sich nicht diese Trümpfe aus der Hand nehmen lässt. Die einzige Möglichkeit, zu einer – langsamen – Entspannung des Konflikts und möglicherweise zu einer nuklearen Abrüstung zu kommen, ist, dem nordkoreanischen Diktator glaubhaft zu machen, dass die USA und der Süden an keinen Regimewechsel in Nordkorea denken. Dieser Prozess wird Zeit und Geduld kosten – vermutlich mehr, als Donald Trump aufzubringen gewillt ist. (Christoph Prantner, 30.8.2018)