Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi lancierten in Alpbach ihre Ideen zu Grenzänderungen zwischen dem Kosovo und Serbien.

Foto: Forum Alpbach / Andrei Pungovsch

Die beiden Präsidenten wollen die Grenzen zwischen Kosovo und Serbien nach ethnischen Kriterien neu ziehen. Es wundert nicht, dass Nationalisten wie Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi völkisch denken und handeln. Die entscheidende Frage ist aber, wie sich die EU zu dieser Politik verhält. Zurzeit versuchen gerade Politikberater, den Deal in der EU schmackhaft zu machen.

Grundsätzlich ist ein Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo begrüßenswert, aber Serbien und der Kosovo könnten ein solches auch ohne Grenzänderungen schließen. Schließlich hat Serbien ja auch 2013 einer historischen Vereinbarung zugestimmt, die vorsieht, dass es im Kosovo einen Verbund serbischer Gemeinden geben soll, damit die Rechte der Serben gesichert werden. Warum geht es also plötzlich wieder um Territorium und nicht um Menschen?

In den letzten Monaten beteuerte man in der EU-Kommission und im Europäischen Auswärtigen Dienst immer wieder, dass man gegen Grenzänderungen sei und dass man dies Vučić und Thaçi klar vermittelt habe. Offenbar stimmten diese Beteuerungen jedoch nicht. Denn als Vučić und Thaçi in Alpbach ihre Ideen lancierten, bekamen sie von EU-Kommissar Johannes Hahn Unterstützung. Auch Präsident Alexander Van der Bellen, der ausreichend über mögliche Folgen gebrieft ist, zuckte nicht mit der Wimper.

Die Gespräche in Alpbach haben in Bosnien-Herzegowina Ängste und Sorgen ausgelöst. Der bosnische Ministerpräsident Denis Zvizdić rief dazu auf, ethnische Grenzziehungen zu unterlassen. Jeder, der dafür eintrete, stehe gegen den Frieden. Widersprüchlich ist auch, wenn gerade Österreich solche Ideen unterstützt, während gleichzeitig das Kontingent der EU-Truppen in Bosnien-Herzegowina um 150 österreichische Soldaten mit Verweis auf die Sicherheitslage aufgestockt wird.

Prinzipien der europäischen Einigung

Jenseits von den regionalen Auswirkungen geht es um Prinzipien der europäischen Einigung. Bisher galt, dass die jugoslawischen Republik- und Provinzgrenzen auch für neue Staaten gelten sollen. Dies war auch für den Kosovo der Fall. Politisch ging es darum, die individuellen Bürgerrechte und Minderheitenrechte zu stärken und die Bedeutung von Grenzen im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit aufzuheben.

Jene, die nun die Grenzänderungsideen ausgearbeitet haben, sprechen davon, dass Vučić im Gegenzug zur indirekten Anerkennung des Kosovo eine Gesichtswahrung brauche – deshalb solle der Nordkosovo an Serbien fallen. Doch in Europa muss es heute mehr denn je um Rechtswahrung und nicht um Gesichtswahrung gehen.

Im Kosovo selbst gibt es viel Widerstand gegen den Deal. Denn die meisten Serben leben im Süden. Sie fürchten, dass sie nach der Teilung noch mehr von Belgrad abgeschnitten sein werden und vermehrt dem Druck der albanischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt sind. Deshalb ist auch die orthodoxe Kirche gegen Vučićs Deal.

Besonders verärgert sind viele Kosovaren darüber, dass die Demokratie mit Füßen getreten wird und Thaçi allein agiert. Zudem wäre es naiv zu glauben, dass er wegen seiner Kriegsvergangenheit nicht erpressbar wäre. Zurzeit kann der Präsident für die angedachten Änderungen jedenfalls keine Mehrheit im Parlament bekommen. Selbst Parteifreunde, der Premier und die Opposition sind dagegen. Doch selbst wenn der Plan scheitert, ist der gefährliche Geist der Grenzverschiebungen auf dem Balkan aus der Flasche. (Adelheid Wölfl, 30.8.2018)