Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Wien-Landstraße.

Foto: Christian Fischer

Ausgerechnet an jenem Tag, an dem Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) seine bisher größte politische Niederlage als Minister erleiden musste, gab er bei einer Veranstaltung Tipps, wie in einer Gefahrensituation zu reagieren sei: Man müsse "flüchten" und seine persönlichen Sachen zurücklassen oder sich "verstecken" und "leise verhalten".

Genauso operiert das Innenministerium selbst, wenn es um die Affäre im hauseigenen Verfassungsschutz geht. Kickl flüchtet sich aus der Verantwortung, versteckt sich vor kritischen Fragen und tut so, als wären an der Misere ausschließlich Justizministerium und Staatsanwaltschaft schuld.

Doch mittlerweile ist klar, dass Kickl über seinen Generalsekretär Peter Goldgruber die Ermittlungen gegen den Verfassungsschutz befeuert und mitorganisiert hat. Die Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität (EGS), die für die Razzia mitverantwortlich war, wurde etwa von Goldgruber vorgeschlagen. Dieser sagte der Staatsanwaltschaft, dass der Verfassungsschutz "so korrupt wie nie zuvor" sei und er den Auftrag habe, "dort aufzuräumen".

Das steht nicht nur im Ermittlungsakt, sondern wird so auch vom Oberlandesgericht Wien zitiert, das die Hausdurchsuchungen im Büro des Verfassungsschutzes und in Privatwohnungen von Mitarbeitern großteils für unzulässig erklärt hat.

Man – und vor allem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – muss sich nun entscheiden. Entweder man glaubt daran, dass alle unter einer Decke stecken, um der FPÖ und Innenminister Kickl das Leben schwerzumachen: das Oberlandesgericht Wien, das die Razzia für widerrechtlich erklärt hat; das Bundesverwaltungsgericht, der Suspendierungen von Mitarbeitern aufgehoben hat; die "Washington Post", die über die internationale Isolation des BVT berichtet. Oder man erkennt ein für alle Mal an, dass bei den Ermittlungen einiges grundlegend falsch gelaufen ist.

Keine Glaubwürdigkeit

Verantwortlich dafür ist formal die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, der das Oberlandesgericht "spekulative Annahmen" bei der Begründung der Hausdurchsuchung vorwirft. Doch die Staatsanwaltschaft erweckt immer mehr den Eindruck, vom Innenministerium ferngesteuert gewesen zu sein. Kickl weist zwar die Verantwortung von sich, seine Glaubwürdigkeit tendiert mittlerweile aber gegen null.

Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft muss einen Neustart unternehmen, da hat Justizminister Josef Moser schon recht. Mit ihrem durch Goldgruber und andere Kabinettsmitarbeiter Kickls aufgestachelten Verhalten hat sie schon zu viel Porzellan zerschlagen, um zumindest in diesem Fall als professionelle Staatsanwaltschaft gelten zu können.

Die neue Regierung hat es also binnen weniger Monate geschafft, das Grundvertrauen sowohl in das Innenministerium als auch in dessen Verfassungsschutz sowie in eine der wichtigsten Staatsanwaltschaften grundlegend zu erschüttern. Unabhängige Gerichte haben die Vorgänge mehrfach mit scharfer Kritik für unzulässig erklärt. Das führt schon zur Frage, was eigentlich passieren muss, um politische Konsequenzen zur Folge zu haben.

Ein neuer Stil ist das Sesselkleben nicht. Es ist zu vermuten, dass der Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre ab nächster Woche neue Negativschlagzeilen bringt, die einen schaudern lassen werden. Es sei denn, man glaubt an die Verschwörung der FPÖ-Gegner. (Fabian Schmid, 28.8.2018)