Im Hochhaus Herrengasse steht man jetzt für veganes Essen an, das mitunter ganz beachtlich schmeckt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Neben Salat locken im Venuss auch warme vegane Gerichte.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Geht es um Veganismus, verliert das gesunde Volksempfinden erstaunlich schnell die Contenance. Wie tief da gleich die Hackln fliegen, wie behände man sich zum Retter der abendländischen Kultur und der Gesundheit unserer armen Kinder (Mei, lieb!) aufzuschwingen meint – und doch nur die Angst bekämpft, das Spiegelbild, das einem solcherart vorgehalten wird, nicht ertragen zu können.

Noch dazu, wo sonst jeder und jederzeit hinunterwürgen darf, was der Definition seines Selbstbildes – oder wenigstens der Leibesmitte – irgendwie zuträglich erscheint: Käseleberkäse oder Döner in der U-Bahn und Zigarette im Restaurant sollen tunlichst als Menschenrecht ("Im Namen der Freiheit!") festgeschrieben werden, aber vegane Ernährung gehört wegen Gesellschaftszersetzung und Gesundheitsgefährdung unter Kuratel gestellt – wenn nicht überhaupt durch Fleischlaberlzwangsernährung via Magensonde unterbunden. Man muss nicht lange nachdenken, was da wohl kompensiert werden muss.

Aufmerksam zubereitetes Gemüse

Allein deshalb verdienen Veganer unsere Sympathie, selbst wenn der grundsätzliche Verzicht auf Produkte tierischer Herkunft nicht minder abgründig und spätrömisch dekadent erscheint als das, was die Mehrheitsgesellschaft mit der gnadenlosen Industrialisierung des Nutztiers verbricht. Es ist zumindest vom Ansatz her moralisch konsistenter.

Beim Geschmack und der Freude am Essen aber müssen Veganer Einschränkungen in Kauf nehmen. Dass es da erhebliches Verbesserungspotenzial gibt, will das frisch eröffnete vegane Buffetrestaurant Venuss von Tian-Eigner Christian Halper beweisen. Was man sich hier an der Theke holt, ist durchaus angetan, den Mythos zu zerstören, dass tierfreies Essen und Trinken geschmacklich automatisch minderbemittelt sein müsse. Allein der Cappuccino, aus Alt-Wien-Kaffee und schwedischer Hafermilch, vermag stolze Wiener Innenstadtkaffees wie nix an die Wand zu spielen. Ausgewiesene Milchkaffeefreaks mutmaßen bereits, dass der Vegancappuccino in Wahrheit eh mit anständigem Kuhsaft gemacht werde.

Am Buffet gibt es eine kühle Abteilung mit allerhand aufmerksam gefertigten Salaten, von gegrillten Mini-Paprika und Pimientos über geschmorten Fenchel mit Miso, kurz blanchierte Gurke mit gequollenen Senfkörnern und in Kurkuma mariniertem Daikon mit Sesam bis zu langstieligem (und besonders gutem) Brokkoli samt Spitzkraut mit Zitrusfrüchten oder gegrilltem Kürbis mit Rosmarin. Lauter luxuriöses Gemüse, aufmerksam zubereitet, das man sich mittels einer Batterie hervorragender Öle und Essige von Fandler zurechtmachen kann, um der manchmal schüchternen Würzung auf die Sprünge zu helfen.

Das Warme lauert

Dass Salat sich vegan gut ausgeht, mag ja angehen, auf der rechten Buffetseite aber lauern auch warme Gerichte. Esterhazy-Berglinsen, mit erstklassigem Essig gesäuert und mit reichlich Wurzelgemüse versehen, gelingen richtig gut. Die Karfiolstelze, ein geschmorter halber Kopf und laut dem in zahlreichen Haubenrestaurants geschulten Betreiber Norbert Ruhdorfer "wie ein Schweinsbraten gewürzt", sieht hingegen nur spektakulär aus: Vom langen Warmhalten ist sie bitter und lasch geworden, die sehr verhalten eingesetzten Gewürze kommen dagegen gar nicht an.

Dafür ist das Schwammerlragout richtig gut, der dazu servierte Serviettenknödel im Wirsingblatt hingegen wird nur solche Knödelesser glücklich machen, die es geradezu cremig weich mögen. Und hinterher? Dürfen sich auch ausgewiesene Topfenfreunde an die mit Mandelmasse gefüllten Golatschen halten. (Severin Corti, RONDO, 31.8.2018)

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