Es sieht aus wie eine einfache und pragmatische Lösung. Die Präsidenten Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi vereinbaren einen Gebietsaustausch: Der mehrheitlich von Serben bewohnte Nordkosovo soll an Serbien gehen und das mehrheitlich von Albanern bewohnte Preshevo-Tal an den Kosovo. Im Gegenzug dazu soll der Kosovo indirekt von Serbien anerkannt werden. Die Befürworter so eines Verfahrens meinen, dass damit die absolute Zahl jener Menschen, die sich in einer Minderheitenposition befinden, geringer werden würde. Das ist richtig.

Für die Bürger würde sich im Fall eines Gebietsaustauschs allerdings kaum etwas ändern. Denn der Nordkosovo steht trotz der Integration der Polizei und der Justiz in die kosovarischen Strukturen ohnehin unter der Kontrolle von Belgrad. Und sowohl im Kosovo als auch in Serbien würden die Bürger weiter unter Umweltverschmutzung, schwacher Rechtsstaatlichkeit und Minilöhnen leiden.

Rechtlich entscheidend ist aber auch nicht die Einigung zwischen Vučić und Thaçi, sondern die demokratische Legitimation im eigenen Land und die internationale Anerkennung. Der innenpolitisch äußerst schwache Thaçi wird als legitimer Verhandler von vielen politischen Playern im Kosovo nicht anerkannt. Und im UN-Sicherheitsrat haben Großbritannien und China gute Gründe, eine Debatte über Grenzänderungen abzuwenden.

Aber es geht nicht nur um die mangelnde Umsetzbarkeit, sondern um Rechtsprinzipien und die regionale Stabilität, die gefährdet würden. Deshalb gibt es Widerstand von der Zivilgesellschaft und Experten. Denn bisher waren Grenzänderungen tabu. Beim Zerfall Jugoslawiens orientierte man sich am Völkerrechtsprinzip "uti possidetis", das besagt, dass die gegenseitigen internationalen Grenzen auf dem Territorium der neu entstehenden Staaten den zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit bereits bestehenden administrativen Grenzen entsprechen sollten – im Fall von Jugoslawien die der Republiken, beim Kosovo die früheren Grenzen der autonomen Provinz. Auf diesen Prinzipien beruhte die kohärente Politik der EU gegenüber den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der Sowjetunion.

Darauf verweist auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die aus historischem Bewusstsein und wegen der Rechtssicherheit strikt gegen Grenzänderungen ist. Allein die Debatte über die neuen Grenzziehungen hat bereits destabilisierende Auswirkungen. Milorad Dodik, der prorussische Präsident des bosnischen Landesteils Republika Srpska (RS), ein Mann, den Barack Obama unter US-Sanktionen stellte und der das Ziel hat, Bosnien-Herzegowina zu zerstören, sieht seine Stunde gekommen. "Die Grenzen sind nicht gottgegeben", sagte er kürzlich. Dodik forciert seit Jahren die Unabhängigkeit der RS und den Zusammenschluss mit Serbien. Die angedachte Grenzziehung entlang völkischer Kriterien im Kosovo ist für ihn ein Wahlkampfgeschenk. Auch die Idee von Großalbanien gewinnt angesichts dieser großserbischen Träume wieder an Fahrt. (Adelheid Wölfl, 26.8.2018)