Diese Chance konnte Werder-Goalie Jiri Pavlenka noch parieren, gegen Hendrik Weydandt war er chancenlos.

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Bremen – Hendrik Weydandt schüttelte den Kopf. "Henne", wie sie ihren Märchenprinzen in Hannover nennen, wollte nicht reden. Kein Kommentar zu seinem Treffer im Bundesliga-Debüt bei Werder Bremen – nur 75 Sekunden nach seiner Einwechslung. Kein Wort zu seinem steilen Aufstieg aus der Kreisklasse in die Bundesliga.

Das Reden übernahmen hinterher die anderen. "Die Tore sprechen ohnehin für sich", sagte Trainer Andre Breitenreiter nach dem 1:1 (0:0) von Hannover 96 bei Werder zum Saisonauftakt. Dass sich Weydandt nicht in den Vordergrund drängte, gefiel Breitenreiter, der "Henne" sei eben "bescheiden und demütig".

Goals, Goals, Goals

Und Weydandt ist offenbar auch im Besitz eines ziemlich guten Torriechers. Der 23-Jährige machte mit seinen ersten drei Torschüssen im Profifußball drei Tore, in der Vorwoche im DFB-Pokal traf der 1,95-m-Hüne doppelt. Nun schockierte der Hobby-Pianist Werder, als er in bester Torjägermanier zur zwischenzeitlichen Führung einschob (77.). Theodor Gebre Selassie (85.) sorgte zwar noch für das Unentschieden, doch das trübte die 96-Freude über Weydandts Traumdebüt nur ein bisschen.

"Eine Wahnsinns-Geschichte", sagte Breitenreiter über seine Low-Budget-Entdeckung. Schließlich kickte Weydandt noch vor vier Jahren bei einem Verein namens TSV Groß Munzel in der Kreisliga Hannover-Land. Erst vor der Saison war er aus der Oberliga nach Hannover gewechselt, sollte für die zweite Mannschaft auflaufen.

Doch Breitenreiter wollte "mal schauen, ob er auch bei uns seine Torjäger-Qualitäten zeigen kann". Und Weydandt konnte. Seinen Lauf habe er sich "hart erarbeitet", der Angreifer sei "sehr fleißig – deshalb ist das vielleicht auch kein Zufall".

Nervosität

Doch vor dem Spiel sah es zunächst nicht danach aus, dass der Angreifer wieder "eiskalt vor dem Tor" (O-Ton Kevin Wimmer) zuschlägt. Weydandt sei "so nervös" gewesen, dass er "beim Anziehen einiges durcheinander gebracht hat", sagte 96-Manager Horst Heldt.

Doch dann hatte Weydandt rechtzeitig wieder Schuhe und Stutzen gerichtet. Und machte bei Heldt noch einmal Werbung in eigener Sache für einen Profivertrag. Die Beförderung hatte zuletzt bereits Präsident Martin Kind angekündigt. "Er ist sehr sympathisch, aber auch sehr selbstbewusst. Ein Stürmer wird an Toren gemessen – und die schießt er", hatte Kind gesagt: "Wir werden mit ihm einen Profivertrag abschließen." Die Einigung soll bereits vollzogen sein.

Doch kein Steuerrecht

Die Kollegen hoffen sowieso, dass Weydandt ihnen erhalten bleibt. Und nicht, wie eigentlich geplant, die väterliche Steuerkanzlei übernimmt. "Er bringt alles mit, was ein guter Stürmer braucht", sagte Wimmer. Und Kapitän Waldemar Anton meinte: "Wir hoffen, dass er so weiter macht."

Auch bei den Fans hat Weydandt längst bleibenden Eindruck hinterlassen, nach dem Spiel feierten sie ihren neuen Märchenprinzen. "Henne, du bist der beste Mann", hallte es durch das Stadion. (sid, 26.8.2018)