Bundespräsident Van der Bellen beim Forum Alpbach.

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen schließt ein Scheitern der Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens nicht aus, was einen Brexit ohne geordnetes Abkommen bedeuten würde. Ein solches Szenario wäre für die Briten wirtschaftlich und gesellschaftlich wohl das schlimmste Szenario, erklärte er am Samstag bei der Eröffnung des Europäischen Forum Alpbach: "Die Brexit-Entscheidung ist vergleichbar mit einem Austritt aus dem Flugzeug in hoher Höhe." Er hoffe, dass man doch noch zu einem positiven Ergebnis kommen werde.

Van der Bellen machte seine Anmerkungen in Bezug auf das Generalthema der heurigen "Politischen Gespräche", bei denen es um "Resilienz und Diversität" geht – zu deutsch Widerstandsfähigkeit, die Fähigkeit Krisen zu überwinden, bzw. Verschiedenheit. Das gemeinsame Europa sei diesbezüglich großen Herausforderungen ausgesetzt, aber "wir können es schaffen, die aktuellen Krisen zu überwinden", sagte er. Spontanen, lauten Applaus im Saal erntete Van der Bellen mit der Aussage: "Manche halten ja die Migrationsfrage für die wichtigste unserer Zeit. Ich nicht."

Macht steigt bei Zusammenhalt

Der Zusammenhalt schwinde, Van der Bellen erwähnte auch den Bedeutungsverlust auf der Weltbühne durch die USA, Russland und den Aufstieg Chinas. Die EU werde sich jedoch den "Spaltungsversuchen von außen" widersetzen, erklärte der Bundespräsident laut Redemanuskript: "Die EU ist auch Störungen ausgesetzt, Spaltungsversuchen von außen. Für den Nachbarn jenseits des Atlantiks, der das unlängst wieder versucht hat, aber auch für den Nachbarn an der östlichen EU-Außengrenze kann es vorteilhaft sein, die EU auseinanderzudividieren. Sie können ihre eigene Macht stärken, während Europa an Bedeutung verliert."

Es habe sich aber nicht zuletzt bei den geplanten US-Sanktionen gegen die EU gezeigt, dass die Verhandlungsmacht wächst, wenn die Europäer zusammenstehen. Ein "Rückfall in die Zwergstaaterei" müsse verhindert werden. Das gelte auch bei einem anderen entscheidenden Zukunftsthema, der Klimapolitik.

Van der Bellen betonte, dass er sich weigere, von Klimaschutz zu sprechen: "Wir wollen nicht das Klima schützen, sondern uns. Wir sind die Eisbären!" Die Eisbären hätten schon verloren, aber "wir haben vielleicht noch eine Chance", sagte er.

Fokus auf Klimapolitik

Forum-Präsident Franz Fischler freute sich, den früheren UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in Alpbach begrüßen zu können, der auch eine Grußbotschaft entrichtete. "Ich habe eine besondere Beziehung zu Österreich: Als ich das Land verlassen habe, habe ich eine Hälfte meines Herzens hier gelassen."

Er betonte unter anderem die Notwendigkeit, bei der Klimapolitik geschlossen zu handeln. "Wir haben keinen Plan B. Wir haben nur eine Erde." Zuvor hatte er der anwesenden Außenministerin Kneissl zu ihrer Hochzeit gratuliert. Normalerweise würden sich koreanische Zeitungen eher nicht für Hochzeiten interessieren. Ihr Hochzeitsfoto sei aber auf allen Titelseiten aller Zeitungen gewesen.

Fischler forderte die Teilnehmer ("Hier sind alle Ehrengäste") zur aktiven Mitarbeit auf, nicht nur an der Veranstaltung, sondern in der Gesellschaft: Die Demokratie brauche Resilienz, Krisenfähigkeit, um Sicherheit und Stabilität zu garantieren, betonte er. Es gelte herauszufinden, wie viel Verschiedenheit man brauche, um das Funktionieren des politischen Systems zu garantieren. (Thomas Mayer aus Alpbach, 25.8.2018)