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Seit 2017 gibt es die Ausbildungspflicht für Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren. Trotzdem gibt es viele Junge, die wenig Perspektive haben.

Foto: Picturedesk/Bachmeier

Das Budget für das Arbeitsmarktservice (AMS) wird erst im Herbst beschlossen, die Befürchtungen, dass an den falschen Stellen gespart werde, häufen sich. Jetzt kommen Warnungen auch aus Tirol. Mit einer Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent hat das Bundesland quasi Vollbeschäftigung. Die Zahl der Menschen ohne Job liegt bei gerade einmal knapp 13.700. Thomas Netzer, Geschäftsstellenleiter des AMS Innsbruck, hielte es allerdings angesichts des Fachkräftemangels und des fehlenden Nachwuchses für fatal, Mittel, die in die Lehrausbildung im zweiten Bildungsweg und in überbetriebliche Lehrwerkstätten fließen, zu kürzen.

Lehrausbildungen

Die aktuelle Spardebatte dreht sich – wie berichtet – um jenen Teil des AMS-Budgets, der für Förder- und Qualifikationsmaßnahmen vorgesehen ist, auf die Versicherte keinen Anspruch haben. Dazu gehören neben der Facharbeiterausbildung auch die überbetrieblichen Lehren über das AMS. Von den Gesamtausgaben im Vorjahr für Fördermaßnahmen im Umfang von rund 1,3 Milliarden Euro flossen grob geschätzt 290 Millionen in die Lehrausbildung insgesamt (Förderung von Lehrverhältnissen für Jugendliche und Erwachsene, überbetriebliche Ausbildung). Im nächsten Jahr werden wie berichtet bis zu 220 Millionen Euro insgesamt weniger zur Verfügung stehen.

In Innsbruck wurde schon gestrichen, sagt Netzer, bei Qualifizierungskursen 20 bis 25 Prozent, bei Deutschkursen für Erwachsene, mehr als 50 Plätze sind bei sozioökonomischen Betrieben dem Sparkurs zum Opfer gefallen. Wo man nicht reduziert habe, sei bei den Jugendlichen und bei den Lehrausbildungen im zweiten Bildungsweg. Heuer investiert das AMS Tirol gemeinsam mit dem Land rund sieben Millionen Euro im Bereich der überbetrieblichen Lehrausbildung, in die Lehrstellenförderung sollen 1,7 Millionen Euro fließen. Netzer hält dies für wichtig, trotz sinkender Arbeitslosigkeit.

Fehlende Perspektive

Er sieht die Gefahr, "dass sozial Benachteiligte von Perspektiven im Beschäftigungsbereich ausgeklammert werden." Sorgen machen ihm vor allem die sogenannten "Neets" ("not in education, employment or training", Anm.), junge Menschen, die weder in Beschäftigung noch in Ausbildung noch in Schulung sind. Rund 75.000 der 15- bis 24-Jährigen zählen zu dieser Gruppe. Weil viele von ihnen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (etwa wegen Betreuungspflichten). Weil sie mangels Perspektive gar nicht erst suchen, gibt es deutlich mehr Neets als offizielle Arbeitslose. Im gesamten Bundesland Tirol werden 5600 Neets gezählt, nur 2127 sind arbeitslos gemeldet, von den rund 2300 Betroffenen im Arbeitsmarktbezirk Innsbruck sind durchschnittlich 833 Jugendliche als arbeitslos gemeldet.

Die Gruppe ist heterogen. Auch Maturanten, die sich eine Auszeit vor Studienbeginn nehmen, zählen dazu. Rund 500 seien aber massiv von Ausgrenzung bedroht, warnt Netzer. "Die kommen gar nicht zum AMS, der Kontakt erfolgt zum Beispiel via Jugendcoaching in den Schulen." Neben der dualen Ausbildung hält er nicht weniger, sondern eher mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in diesem Bereich für nötig. Insgesamt hat das AMS im Vorjahr im Bereich der Arbeitsmarktförderung für Personen bis 25 Jahren 445 Millionen Euro ausgegeben. Zum Vergleich: Rund 255 Millionen Euro flossen in die Facharbeiterqualifizierungen von Jobsuchenden.

Niederschwellige Angebote

Netzer sieht vor allem bei niederschwelligen Angeboten Handlungsbedarf, um jene zu erreichen, die abzugleiten drohen: "Wir brauchten mehr engmaschige, sozialtherapeutische Unterstützung und mehr jugendpsychiatrische Angebote. Von einer Ausbildung ist da noch gar nicht zu reden." Die dafür nötigen Mittel wären wohl hoch, aber gut investiert. Die durchschnittlichen Aufwendungen innerhalb des AMS Innsbruck im Rahmen der aktiven Arbeitslosigkeit liegen laut Netzer bei rund 7000 Euro je Arbeitslosen, für Neets brauchte es ein Mehrfaches davon. (Regina Bruckner, 20.8.2018)