Ich weiß nicht, wie oft ich das in meinem Leben schon gefragt wurde: "Wo kommst du eigentlich her?" Ich antworte darauf: "Aus Hamburg." – "Aber woher kommst du richtig?" – "Richtig komme ich aus Oldenburg, da bin ich geboren, aber eigentlich aus Stade in Niedersachsen, da bin ich aufgewachsen. Genau genommen in Hollern-Twielenfleth, einem Dorf im Alten Land, an der Elbe." – "Schon klar, aber wo liegen deine Wurzeln?" – "Meine Wurzeln? Also, jetzt wird's aber sehr persönlich, wieso willst du das denn wissen?"

Ist es Rassismus, wenn man Menschen mit dunklerer Hautfarbe nach ihrer Herkunft fragt? Das kommt ganz auf die Situation an. Wer fragt? Und warum? Aus Neugier? Oder will da jemand eine Trennlinie ziehen zwischen sich selbst und mir? Will man mir verdeutlichen, dass ich kein "richtiger Deutscher" sein kann? Es ist ähnlich vertrackt wie das – manchmal vergiftete – Lob, das ich bisweilen zu hören bekomme: "Sie sprechen aber gut Deutsch!"

Wirkung durch stetige Wiederholung

Gelegentlich sind rassistische Untertöne zu hören, vermutlich nimmt man sie nur wahr, wenn man selbst betroffen ist. Es ist ein Rassismus, der nicht vergleichbar ist mit dem Anzünden von Flüchtlingsheimen, den NSU-Morden oder auch mit einer Politik, die Menschen als "Kulturfremde" stigmatisiert. Aber auch solche kleinen Alltagsrassismen zeigen nach einiger Zeit Wirkung. Vor allem wenn sie wieder und wieder stattfinden.

Früher, als Jugendlicher, habe ich mich oft geärgert über solche Begebenheiten. Heute antworte ich, wenn mir jemand sagt, ich spreche gut Deutsch: "Oh, Sie auch." Und wenn mich jemand nach meiner Herkunft fragt, erkenne ich darin meist echtes Interesse. Klar sieht man mir meine Wurzeln in einem anderen Teil der Welt an, warum sollte ich nicht zu ihnen stehen? Wenn ich Lust habe, beantworte ich also die Frage und erzähle von meinen indischen und pakistanischen Wurzeln, von der britischen Kolonialzeit, der Teilung des indischen Subkontinents und dem schwierigen Prozess, Deutscher zu werden. Und dann frage ich auch mein Gegenüber nach dessen Herkunft. Meist entsteht ein gutes Gespräch, man lernt Menschen kennen.

Seit zwei Jahren lebe ich in Wien, und anders als in Deutschland wurde ich hier noch nie gefragt, woher ich komme. Im Gegenteil, ich sage ein paar Sätze, und schon sagt man mir: "Sie sind Deutscher, oder?" Während ich in Deutschland also dafür streiten muss, deutlich zu machen, dass auch Menschen wie ich Deutsche sein können (die sind längst nicht mehr alle blond und blauäugig), bin ich es für die Österreicher wie selbstverständlich. Hier werde ich als derjenige erkannt, der ich bin: endlich Deutscher! (Hasnain Kazim, 19.8.2018)