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Über 200 Personen, die bei Demos in Bukarest verletzt worden waren, haben mittlerweile Anzeige erstattet.

Foto: AP / Andreea Alexandru

Der gesellschaftliche Konflikt in Rumänien ebbt nicht ab. Vor einer Woche degenerierte eine Großdemonstration auf Bukarests Straßen zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit der Gendarmerie. Nun bewegt sich der Protest zwar weg von der Straße, der politische Schlagabtausch ist dafür umso heftiger. Präsident Klaus Iohannis und die regierenden Sozialdemokraten schieben einander die Verantwortung für die Ausschreitungen zu.

Nach einem Aufruf von Auslandsrumänen hatten vergangenen Freitag 100.000 Menschen gegen die Korruption und die Schwächung der Justizgesetze protestiert und den Rücktritt der Regierung verlangt. Viele von ihnen waren dazu aus dem Ausland angereist. Die Regierung ging mit teils massiver Gewalt gegen sie vor.

Seit dem Antritt der Regierung aus Sozialdemokraten (PSD) und Liberaldemokraten (Alde) vor eineinhalb Jahren wird in Rumänien öfters gegen deren Angriffe auf die Antikorruptionsinstitutionen und die einschlägige Gesetzgebung demonstriert. Der gewaltsame Eingriff der Ordnungskräfte mit Tränengas, Wasserwerfern und einem Großaufgebot an Spezialeinheiten war allerdings eine Premiere – er zog an den Folgetagen Proteste in mehreren anderen großen Städten nach sich.

"Völlig harmloses" Reizgas

Mittlerweile haben jene, die von der Polizei angegriffen wurden, 206 Anzeigen erstattet. 81 Personen wurden ihrerseits von der Militärprokuratur vernommen. Dutzende Protestteilnehmer gehen noch immer wegen Spätfolgen der eingeatmeten Reizgase ins Spital, einige berichten, dass sie bis zur Bewusstlosigkeit niedergeknüppelt worden seien.

Die Polizei beharrt hingegen darauf, dass alle eingesetzten Substanzen völlig ungefährlich seien, und behauptete anfangs sogar, dass ihre Aktionen "rein defensiv" gewesen seien. Inzwischen hat sich der Einsatzleiter Laurențiu Cazan im Fernsehen jedoch "bei all jenen, denen unnötig Leid zugefügt wurde", entschuldigt. Es habe "hunderte gewalttätige Personen" unter den Demonstranten gegeben, so Cazan, der für seine Behauptung keinen Beweis vorlegte.

Anzeige gegen Innenministerin

Die Übermittlung des von der Bukarester Präfektin Speranța Cliseru erteilten Befehls zur gewaltsamen Räumung des Siegesplatzes, die die Ermittler seit Tagen einfordern, wird verzögert. Auch gibt die Gendarmerie nach wie vor nicht bekannt, welche Substanzen beim Einsatz verwendet wurden. Eine von der Opposition beantragte Anhörung der Innenministerin Carmen Dan im Parlament lehnt die PSD ebenfalls ab. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben auch deshalb gegen die Präfektin und die Innenministerin Anzeige erstattet.

Das Thema, an dem sich der Konflikt eigentlich entzündete, ist das Vorgehen gegen die Korruption auf politischer Ebene, das in den letzten Jahren immer effizienter geworden war. Dies ist vor allem dem als "Schattenpremier" geltenden PSD-Chef Liviu Dragnea ein Dorn im Auge. Aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Wahlmanipulation kann er selbst das Premiersamt nicht antreten, setzt jedoch Strohmänner und -frauen ein und sofort wieder ab, wenn sie seine Anweisungen nicht getreu befolgen – in eineinhalb Jahren tauschte die PSD drei Regierungschefs aus.

Kritik des Präsidenten

Wenige Tage nach Regierungsantritt verabschiedete die Regierung die umstrittene "Eilverordnung 13", durch die Korruptionsdelikte bagatellisiert werden sollten. Sie musste zwar auf Druck der Straße zurückgenommen werden, die Versuche, ihren Inhalt anders durchzusetzen, werden jedoch hartnäckig weitergeführt. Unter anderem gelang es kürzlich, die Leiterin der Antikorruptionsbehörde, Laura Codruța Kövesi, abzusetzen.

Ungewohnt scharf verurteilte Präsident Iohannis in einer Ansprache am Montagabend die "chaotische, irrationale Regierungsarbeit". Iohannis stellte angesichts der Ausschreitungen die Frage in den Raum, ob es sich bei der Gewalt nicht vielleicht um "ein Ablenkungsmanöver gehandelt habe. Davor hatte die PSD Iohannis vorgeworfen, der "politische Sponsor der Gewalt und extremistischer Aktionen" zu sein. (Laura Balomiri aus Sibiu, 16.8.2018)